Zwei Atlantiden

von Tony O’Connell

Abb. 1 Links: Das Frontcover von Daniel Duvillés Buch "L’Aethiopia Orientale ou Atlantide, Initiatrice des Peuples Anciens" aus dem Jahr 1936; rechts: eine Skizze der zwei Atlantiden (A = Atlantis, B = Antillia) nach Lewis Spence.

Von einigen Kommentatoren sind zwei Atlantiden vorgeschlagen worden, um einige der Probleme in Platos Text zu erklären. Während das Konzept im Grundsatz [von allen Anhängern dieser Annahme; d. Red.] übernommen wurde, variieren die gewählten Örtlichkeiten.

Lewis Spence war vermutlich der Erste, der diese Idee vorschlug [1] [2], gefolgt von D. Duvillé [3] und in jüngerer Zeit Jürgen Hepke [4]. Der russsische Atlantologe Wladimir Scherbakow hat die Vorstellung sowohl einer Atlantis im Atlantik als auch einer zweiten unterstützt, zu der mehrere große Städte im östlichen Mittelmeer-Raum gehörten. Er glaubte, dass Migranten aus dem atlantischen Original jene zweite Atlantis bevölkerten.

Es ist klar, dass Plato zwei Atlantiden beschrieb, die sowohl zeitlich als auch geographisch voneinander getrennt waren. Die eine war ine steinzeitliche Kultur, auf welche Plato nur kurz Bezug nimmt, und die andere eine Gesellschaft der Bronzezeit, die er weitaus detaillierter beschreibt. Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich leicht erklären, wenn man akzeptiert, dass die ursprüngliche Atlantis eine schriftlose Kultur war, und dass ihre Errungenschaften, wie auch jene aller anderen uralten Völker, von den Nebeln der Zeit vor der Verwendung von Schrift verhüllt werden. Es erscheint nicht unangemessen, dass Plato, um einen Mangel an Details zu kompensieren, die mündliche Überlieferung mit den Attributen einer fortgeschrittenen Zivilisation seiner eigenen Epoche überdeckte, mit etwas, mit dem sich sein Publikum identifizieren konnte. Solch ein literarisches Ausdrucksmittel hätte sich zu seiner Zeit im Rahmen künstlerische Freiheit bewegt.

Auch Pauwels und Bergier schlugen in ihrem Buch Aufbruch ins dritte Jahrtausend [5] zwei Atlantiden vor, eine frühere bei Tiahuanaco in den Anden sowie ein jüngeres im Atlantik, das von den "Wassern aus dem Norden" zerstört wurde, von denen in der Bibel als Sintflut (Noachische Flut) berichtet wird! Nicht zufrieden mit zwei Atlantiden, gingen Diego Marin, Ivan Minella und Erik Schievenin 2013 noch weiter, als sie in ihrem Buch The three Ages of Atlantis [6] die vormalige Existenz von drei Atlantiden anregten.


Anmerkungen und Quellen

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Dieser Beitrag von Tony O’Connell (©) wurde von ihm erstmals online veröffentlicht am 12. Juni 2010 unter dem Original-Titel "Two Atlantises" bei Atlantipedia.ie. Bei Atlantisforschung.de erscheint er am 11. Februar 2017 in eigener Übersetzung ins Deutsche und mit redaktioneller Bearbeitung.

Fußnoten:

  1. Red. Anmerkung: Möglicherweise führte nicht Spence, sondern der deutsche Orientalist Joseph Karst das Modell der >zwei Atlantiden< als Erster in den atlantologischen Diskurs ein. Siehe: J. Karst, "Atlantis und der liby-äthiopische Kulturkreis", C. Winters Universitätsbuchhandlung, 1931
  2. Siehe: Lewis Spence, "The Shadow of Atlantis", 1940, Neuauflage u.a. bei Adventures Unlimited Press, 1997
  3. Siehe: Daniel Duvillé, "L’Aethiopia Orientale ou Atlantide, Initiatrice des Peuples Anciens", Paris (Malfére), 1936
  4. Siehe: Jürgen Hepke, "Die Geschichte von Atlantis: der vergessene Ursprung unserer Kultur", TRIGA - der Verlag, 2010
  5. Siehe: Louis Pauwels und Jacques Bergier, "Aufbruch ins dritte Jahrtausend: von der Zukunft der phantastischen Vernunft", Goldmann, 1979
  6. Siehe: Diego Marin, Ivan Minella und Erik Schievenin, The three Ages of Atlantis", Inner Traditions / Bear & Co, 2013

Bild-Quellen:

1) Links: Verlag Malfére, Paris / Bild-Archiv Atlantisforschung.de
2) Rechts: Lewis Spence (1940) / Bild-Archiv Atlantisforschung.de