Röttges´ Atlantida-Exegese
Atlantologische Betrachtungen über: "Atlantis ist mitten unter uns" (Teil 1)
(bb) Methodisch und strukturell steht die Exegese der platonischen Atlantida im Mittelpunkt von R. B. Röttges Veröffentlichung, und bildet deren 'Skelett'. Wie er selbst feststellt, geht es "in diesem Buch in erster Linie darum, die älteste und einzig überlieferte Atlantisgeschichte auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu untersuchen." [1] Systematisch arbeitet er nacheinander die einzelnen Abschnitte der Timaios- und Kritias-Dialoge ab, die sich mit Atlantis beschäftigen. Die jeweiligen Originalpassagen der Dialoge in deutschsprachiger Übersetzung wechseln dabei mit Röttges´ Erläuterungen und Anmerkungen dazu sowie mit längeren Einschüben zu diversen Themenbereichen ab.
Qualitativ ist Röttges´ Exegese trotz dieser Systematik unzureichend und kann aus empirisch-atlantologischer Sicht nicht überzeugen. Zunächst geht der Autor mit der - für den esoterischen Atlantismus typischen - Grundhaltung an die Arbeit, dass Platons Bericht nichts als die lautere Wahrheit beinhalten könne. Von einer objektiven Untersuchung des Inhalts der Atlantida kann hier also nicht die Rede sein. Der Philosoph, Staatstheoretiker und Verfasser des hellenischen Atlantisberichts erscheint auch bei Röttges als hehre Lichtgestalt. Immanente Widersprüche und Brüche im Timaios und Kritias werden nicht (bzw. nur unzureichend) analysiert und interpretiert.
Eine wesentliche Feststellung arbeitet Röttges allerdings klar und deutlich heraus; eine Feststellung, die bei oberflächlicher Betrachtung des Atlantisberichts leicht übersehen wird, sich aber zwangsläufig aus einer sauberen, inhaltlich-strukturellen und quellenorientierten Atlantida-Exegese ergeben muss: Obwohl Platon im Atlanticus auf der Basis seiner ägyptischen Quellen ein katastrophistisches Modell der Menschheitsgeschichte mit wiederholten Kataklysmen vorstellt, konzentriert er sich in seiner Berichterstattung lediglich auf EIN solches Ereignis: den Untergang der atlantischen Großinsel. Röttges schreibt dazu: "Zumindest in der Landbeschreibung scheint Platon zeitmäßig abzuschweifen, denn er spricht zunächst von einem Inselkontinent [2], größer als Libyen und Kleinasien zusammen, und später von einer Insel Atlantis, die an einem einzigen Tag und in einer einzigen Nacht versank. Demnach schildert er also lediglich eine Katastrophe, und zwar die letzte von insgesamt dreien." (ebd., S. 10)
Während sich Röttges´ Vermutung DREIER Haupt-Katastrophen stimmig aus Platons Atlantisbericht ableiten lässt und mit den Theorien verschiedener nonkonformistischer Atlantologen (siehe z.B. Uwe Topper) deckt, muss seine abschließende Annahme, es habe sich bei dieser globalen Katastrophe um "die letzte von insgesamt dreien" gehandelt, auf einige Skepsis stoßen. Auch hier zeigt Röttges sich als esoterischer Exeget, der "Channelings" und ähnlichen "Informations-Quellen" die selbe Bedeutung wir Platons Bericht beimisst. Daher kann er, wie vor ihm etwa Scott-Elliot, Helena Blavatsky, Rudolf Steiner oder Edgar Cayce, eine JAHRHUNDERTTAUSENDE alte Atlanter-Zivilisation voraussetzten.
Zumeist vergeblich suchen wir dagegen nach inhaltlichen Vergleichen des Atlantisberichts mit den mythologischen und religiösen Überlieferungen, Sagen und Mythen alter "Naturvölker" und "Hochkulturen". Nur ausnahmsweise findet sich eine kurze Erwähnung der Hopi und ihrer Mythen, wobei allerdings eine moderne, quasi-atlantologische Interpretation der Überlieferung (nach Weißer Bär/Blumrich) zu Grunde gelegt wird: "Die Hopi-Indianer wissen sich genau zu erinnern, daß der Kontinent von wo sie auswanderten, Kasskara oder Lemuria hieß. Östlich davon lag Taláwaitichqua oder Atlantis." (S. 17) Stattdessen stoßen wir immer wieder auf die Wiedergabe von Tatsachenbehauptungen mit quasi-religiösem Charakter, die als "Glaubensbekenntnisse" Sinn machen, nicht aber zur empirischen Beweisführung in der Atlantisforschung.
Fortsetzung (Teil 2):
Röttges´ esoterische Informations-Quellen (bb)
Anmerkungen und Quellen
- ↑ Quelle: Rolf B. Röttges, "Atlantis ist mitten unter uns - Die ersten Funde über Atlantis", A.U.V.-Verlag, Krefeld, 1. Aufl. 1992, S. 11
- ↑ Red. Anmerkung: Es kann nicht oft genug betont werden, dass Platon den Begriff "Kontinent" im Zusammenhang mit Atlantis NICHT gebraucht hat!
Bild-Quelle
(2) Rolf B. Röttges, "Atlantis ist mitten unter uns", S. 216