Literatur von und über Thor Heyerdahl

vorgestellt von Andreas Delor

1.) Bücher von Thor Heyerdahl

a) biographische Schriften:

Abb. 1 Dieses Buch ist "ein Muss für alle, die das Rätsel Thor Heyerdahl verstehen wollen"!
Obgleich erst 1974 geschrieben, beschreibt „Fatu Hiva“ den romantisch-versponnenen Beginn des Forscherweges von Thor Heyerdahl: den Versuch, der Zivilisation in der Südsee gänzlich zu entfliehen. Zunächst einmal fällt das ungeheure Willenspotential des jungen Träumers ins Auge, ohne das „Kon-Tiki“ gar nicht möglich geworden wäre. Zum Anderen zeigt das Buch das Zerbrechen einer Illusion und das unverhoffte Finden eines Lebenszieles auf. (Die Insel) Fatu Hiva wird zum Startschuss für eine lebenslange Suche nach den weißen, bärtigen Männern. Ein Muss für alle, die das Rätsel Thor Heyerdahl verstehen wollen.
Es dürfte außer missgünstigen Fachkollegen kaum einen Leser von „Kon-Tiki“ geben, der sich der Faszination dieses Buches entziehen kann. Kon-Tiki ist es, das ihm sogar die Herzen der Staatsoberhäupter gewinnt. Wie ein junger, mittelloser Forscher ohne Abschlussexamina es schafft, in einem Geniestreich unter Einsatz seines Lebens die Weltöffentlichkeit auf ein scheinbar völlig abseitiges Problem aufmerksam zu machen, dessen ganze Dimension ihm selber erst im Laufe seines ganzen weiteren Lebens dämmert, welch innige Beziehung er dabei aber auch zum Meer und seinen Geschöpfen entwickelt, ist in einfach hinreißender Weise dargestellt.
Abb. 2 Den Geheimnissen der Osterinsel auf der Spur
Stand in „Kon Tiki“ der kühne Abenteurer im Vordergrund, welcher einer überraschten Öffentlichkeit eine ungewöhnliche Theorie samt einer damals absolut unüblichen Vorgehensweise vor Augen führt, so in „Aku-Aku“ der Archäologe und Ethnologe, welcher sich immer tiefer in die Schichten, Geheimnisse und Herzen der Bewohner der Osterinsel eingräbt und nicht nur eine über alle Erwartungen gehende Bestätigung seiner Theorie erfährt, sondern selber so tief von dem Geheimnis gepackt wird, dass die Osterinsel der geheime Mittelpunkt seines ganzen späteren Lebens wird. Mit diesem Buch gelingt es ihm, diese „Insel voller Rätsel“ im Bewusstsein der Weltöffentlichkeit zu verankern.
Von diesem Buch ist leider eine stark gekürzte, nicht empfehlenswerte Ausgabe im Umlauf; man sollte hier unbedingt versuchen, das Original zu erwischen.
Gut 10 Jahre nach der Osterinsel, 20 Jahre nach Kon Tiki und 30 Jahre nach Fatu Hiva vollzieht Heyerdahl den zweiten großen Schritt seines Lebens, die Suche nach den „weißen, bärtigen Männern“, den Kulturbringern Mexikos und Perus. Ohne festgezimmerte Theorie, nur aufgrund von Ahnungen und Vermutungen wagt er dennoch aufgrund einer inneren Gewissheit die Fahrt in einem nachgebauten altägyptischen Papyrusboot von Marokko über den Atlantik nach Barbados in der Karibik und lässt sich selbst dann nicht entmutigen, als sich beim ersten Mal die „Ra“ unter ihm und seiner internationalen Besatzung kurz vorm Ziel in Schilfbündel auflöst und die Mannschaft gerettet werden muss. Bei seinem zweiten Versuch mit einem besseren Papyrusfloß kann er zeigen, dass selbst manövrierunfähige Wasserfahrzeuge, sind sie einmal außerhalb der Straße von Gibraltar, von selbst durch Wind und Strömung von der Alten in die Neue Welt getrieben werden.
Abb. 3 Thor Heyerdahls spannender Expeditions-Bericht aus dem Jahr 1979
Bereits 10 Jahre später vollzieht Heyerdahl auch den dritten Schritt: er fragt nach den Wanderwegen der Ursprungskulturen der „weißen, bärtigen MännerAmerikas und nach deren Herkunft, wobei er auf das Atlantis-Rätsel stößt. Mit der „Tigris“, seinem größten Schilfschiff (18 m), welches sich im Gegensatz zu seinen früheren voll manövrieren lässt, fährt er mit einer 11-köpfigen internationalen Mannschaft die Handelswege der Sumerer nach Bahrein, der Indus-Kultur und schließlich dem Horn von Afrika ab, wo er aus Protest gegen einen lokalen Krieg sein bislang bestes Schiff verbrennt. Atlantis findet er allerdings nicht.
Anfang der Achtziger Jahre wird Thor Heyerdahl vom Präsidenten der südlich von Indien gelegenen Malediven, welcher seinerzeit gehofft hatte, er würde mit der „Tigris“ dort vorbeischauen, eingeladen, auf dieser Gruppe von Koralleninseln Ausgrabungen zu machen. Mit seiner bereits auf der Osterinsel so erfolgreichen Mischung aus Archäologie und Ethnologie stößt Heyerdahl unter einer mohammedanischen, einer buddhistischen und einer hinduistischen Schicht wiederum auf ein langohriges und rothaariges Volk, welches Pyramiden und Zyklopenmauern baut: die geheimnisvollen Redin. Offensichtlich hat er aber zu wenig Zeit, diesen kühnen Seefahrern im Indischen Ozean weiter nachzuspüren, seine Malediven-Arbeit erscheint ganz fragmentarisch.
Abb. 4 Ein großqrtiges Buch, dem viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde
Ein grandioses Buch. Es war das letzte von allen Heyerdahl-Büchern, welches ich in die Finger bekam, und zuerst dachte ich: oh Gott, immer wieder (inhaltlich) dasselbe! Aber dann: alles neu, und vor allem: ein einzigartiger, detaillierter Überblick über die Osterinsel-Geschichte auf der Basis des Selbst-Erlebten und Selbst-Getanen. Es enthält zudem eine solche Fülle von Beweisen der südamerikanischen Herkunft der Langohren, dass nur ein Ignorant diese noch leugnen kann. Aber ignoriert worden ist dieses Buch, im Gegensatz zu früheren Heyerdahl-Werken wurde es kein großer Erfolg. Vermutlich kam es zum falschen Zeitpunkt heraus; die Welt war 1989 mit ganz anderen Dingen beschäftigt…
Etwas zu kurz kommt vielleicht seine zweite Osterinsel-Expedition in dem Buch, die Berichte darüber sind aufs Allernotwendigste beschränkt, im Rahmen des Ganzen ist dies allerdings angemessen. Die ungeheure Erregung, das Atemberaubende von Aku-Aku fehlt hier natürlich, dafür strahlt Überschau und, man kann nicht anders sagen, abgeklärte Altersweisheit aus diesem Buch; wer beide Schriften kennt, hält Heyerdahls wesentliche Aussagen über die Osterinsel in Händen.
Abb. 5 Archäologische Abenteuer im Norden Perus
Dieses Buch beschreibt bereits den zweiten Schritt seines zweiten Lebensabschnitts, Ausgrabungen im nordperuanischen Tucumé, welches das größte Pyramidenfeld und die größte Lehmpyramide der Welt in archäologisch jungfräulichem Zustand enthält. Auch hier gewinnt er schnell die Herzen der ansässigen indianischen Bevölkerung. Dabei wird deutlich, dass die Küstenindianer der späten Lambayeque-Kultur große Seefahrer waren und vielleicht auch die zweite Periode der Osterinsel-Kultur beeinflusst haben; er unternimmt auch noch einmal mit Küstenindianern zusammen eine Schilfbootfahrt entlang der Küste. Die Oberschicht der Lambayeque-Kultur war weiß und blauäugig, wie sich aus (nicht von ihm gemachten) Grabfunden im benachbarten Sipán ergeben hatte. Zunehmende Kriminalität zwingt Heyerdahl schließlich nach wenigen Jahren, dieses Projekt aufzugeben. Trotz allem aber hat man den Eindruck, dass Heyerdahl dabei ist, ein wenig seinen eigenen roten Faden zu verlieren. Außer einer Schilfboot-Abbildung mit Vogelmenschen an Bord findet er nichts, was auf eine Verbindung zur Osterinsel hindeutet, Spuren weißer, bärtiger Männer schon gar nicht. Hat er am falschen Ort gesucht?
Die Bilanz seines Lebens, das er noch einmal Revue passieren lässt, schriftstellerisch leider absolut nicht auf der Höhe seiner frühen Werke. Seine Kindheits- und Kriegserlebnisse werden ausführlich beschrieben, ebenso sein letztes archäologisches Projekt, die Ausgrabungen der Stufenpyramiden von Güimar auf Teneriffa. Er schafft es leider nicht im Geringsten, den großen Wurf seines Lebens im Dreischritt von Kon-Tiki, Ra und Tigris deutlich zu machen, ist verunsichert, redet um den heißen Brei herum: ein großer Forscher, der offensichtlich bezüglich der Möglichkeit des Verständlich-Machens seines Gesamt-Anliegens resigniert hat.


b) Nicht-biographische Schriften Thor Heyerdahls

Abb. 6 Dieses wahrhaft epochale wissenschaftliche Werk Thor Heyerdahls ist nach wie vor von höchster Aktualität. Gerade seine Kritiker sollten es gelesen haben, bevor sie vorschnell den sprichwörtlichen 'Stab über ihm brechen'.
Über dieses gewaltige wissenschaftliche Werk schreibt Heyerdahls ehemaliger erbitterter Gegner und archäologischer Vorgänger auf der Osterinsel, der französische Ethnologe Alfred Métraux: „Thor Heyerdahl, einer der populärsten Helden unserer Zeit, erzwingt sich nun die Aufmerksamkeit des Publikums durch eine neue Tat. Dieser Entdeckungsreisende, der seinen Ruhm in hohem Maße verdient, hatte alle Ursache, sich durch die Verachtung, die man ihm entgegenbrachte, gekränkt zu fühlen. Er hat bescheiden gebeten, man möge doch mit einer Stellungnahme warten, bis er die Arbeit veröffentlicht habe, in der er seine Anschauungen, durch Beweise gestützt, vorzutragen gedachte. Er hat sein Versprechen gehalten. Wer dieses 821 Seiten starke Werk aufschlägt, kann nicht umhin, von der überwältigenden Gelehrtheit, mit der er darin prunkt, geblendet zu sein. Wenn uns Thor Heyerdahl nicht schon auf das Wunder vorbereitet hätte, müsste man sich fragen, wie es einem einzigen Menschen möglich war, in so wenigen Jahren so viele Werke zu lesen, Auszüge daraus zu machen und das Ergebnis seiner Untersuchungen in einer wirklichen Zusammenfassung unseres Wissens auf ethnographischem, archäologischem, linguistischem, botanischen, geographischem und historischem Gebiet vorzulegen. Ich kenne wenige Menschen, die einer solchen Leistung fähig wären.
Und der schwedische Südsee-Experte Olof Selling schreibt: „Eine bemerkenswerte Arbeit, epochemachend in des Wortes vollster Bedeutung, eine wissenschaftliche Großtat ist dieses Buch ... Es gibt in der Literatur über die Bevölkerung der Inseln im Pazifik keine Arbeit, in der so mannigfaltig detaillierte Vergleiche angestellt werden. Die ethnographische Wissenschaft ist, im Hinblick auf ein bestimmtes Gebiet, noch nie Gegenstand einer so umfassenden Revision gewesen.“ (beides zitiert nach Arnold Jacoby: „Senor Kon-Tiki“ – das abenteuerliche Forscherleben Thor Heyerdahls“, s. u.)
Abb. 7 Dieses Werk ist "eine der gründlichsten Studien, die je in Ozeanien vorgenommen wurden." (Dr. Betty Jane Meggers)
Im Herbst 1961 erschien der erste Band des wissenschaftlichen Werkes über die Osterinselexpedition: „Archeology of Easter Island“, redigiert von Heyerdahl und seinem Freund und Mitarbeiter Ferdon. Die Rezensenten bekamen einen drei Kilo schweren Brocken zu verdauen. [...]
Im >American Journal of Archeology< bezeichnete die prominente Südamerika-Archäologin Dr. Betty J. Meggers vom United States National Museum das Werk als >eine der gründlichsten Studien, die je in Ozeanien vorgenommen wurden< Sie schloss ihre Besprechung mit den Worten: >Als Schlussfolgerung erscheint die Feststellung angebracht, dass Heyerdahl einen hervorragenden Beitrag zur Archäologie geleistet hat, und zwar nicht nur, indem er den massiven Widerstand der professionellen Archäologen gegen die Anerkennung der transozeanischen Kontakte als eines berechtigten Forschungsgebietes im Pazifik brach, sondern auch, indem er die Feldforsching kompetenter Archäologen organisierte und finanzierte, die keineswegs im Voraus durch seine eigene Theorie gebunden waren. Die Funde werden in erschöpfenden Einzelheiten dargestellt, so dass jeder, der geneigt sein könnte, die Schlussfolgerungen zur Diskussion zu stellen, sich selbst ein Bild zu machen vermag. Die Ergebnisse sind nicht nur ein führender Beitrag zur Lösung des Problems der Herkunft und Entwicklung der Kultur der Osterinsel, sondern auch ein Argument für Einflüsse aus der Andenregion Südamerikas, die von den Fachleuten auf diesem Gebiet nicht mehr übersehen werden können.<
Was Thor am meisten freute, war jedoch ein Brief des alten Balsafloß-Forschers Lothrop. Er hatte das Werk über die Osterinsel gelesen und schrieb: „Mit den Jahren bin ich mehr und mehr geneigt, Ihre Anschauungen vorbehaltlos gutzuheißen und ich bewundere das Wissen, auf das sie sich stützt.“ (Arnold Jacoby: „Senor Kon-Tiki“ – das abenteuerliche Forscherleben Thor Heyerdahls“, s. u.)
Abb. 8 Dieses Buch bietet eine auch für den Laien gut fassbare Sammlung der Thesen aus Heyerdahls wissenschaftlichem Werk.
...ist eine umgearbeitete Neuauflage von „Zwischen den Kontinenten” (1975), diese wiederum eine erweiterte und umgestellte Neuauflage von „Indianer und Alt-Asiaten im Pazifik” (1966). Es sind Sammlungen von Aufsätzen und Vorträgen, welche in konzentrierter Form die Thesen seiner wissenschaftlichen Hauptwerke, insbesondere „American Indians in the Pacific“ und „Archeology of Easter Island”, zusammenfassen und einen guten Einblick in Heyerdahls geschliffene, überaus gründliche Beweisführung geben. Noch einmal wird ausführlich die Herkunft der Maori-Polynesier hergeleitet, die Herkunft der weißen rothaarigen Langohren auf der Osterinsel und im übrigen Polynesien; gründlich werden die Wind- und Strömungsverhältnisse der Ozeane beleuchtet sowie die Schiffe und seefahrerischen Leistungen der Polynesier, der südamerikanischen Küstenindianer und der frühen Mittelmeervölker.
Wege übers Meer“ enthält zudem eine Besprechung der „weißen, bärtigen Männer Amerikas“, zwar nicht so ausführlich, aber letztlich sogar präziser und schlagender gefasst als in „Lasst sie endlich sprechen“ (s.u.). In diesen kämpferischen Aufsätzen zeigt Heyerdahl, dass er von all seinen „diffusionistischen“ Kollegen in Wirklichkeit der gründlichste Wissenschaftler ist. „Wege übers Meer“ ist eine auch für den Laien gut fassbare exakt-wissenschaftliche Sammlung, die alle wichtigen Fakten zusammenfasst – bis auf die „Tigris“-Problematik, über die es von Heyerdahl nur Fragmente gibt.
Mitten zwischen „Ra“ und „Tigris“ geschrieben, zeigt dieses Buch, wie sehr diese Insel doch im Mittelpunkt von Thor Heyerdahls ganzem Leben steht. Im Bildteil hat Heyerdahl alle, aber auch alle Museumsstücke der Osterinsel aus der ganzen Welt zusammengetragen, ergänzt durch die vielen „Höhlensteine“, die ihm die Eingeborenen selber anvertraut hatten. Der Text kommentiert all diese Stücke bzw. schildert noch einmal mit wissenschaftlicher Akribie, wie es dazu kam, dass ihm die Höhlen geöffnet wurden und was von den Funden zu halten ist. „Aku-Aku“ war ein spannender persönlicher Expeditionsbericht gewesen, hier aber liegt ein gründliches wissenschaftliches Werk vor, welches die Osterinsel noch einmal in völlig überraschendem Licht zeigt. Am Ende des Bildteiles werden frappierende Gegenüberstellungen mit südamerikanischer Kunst gezeigt sowie viele Keramikplastiken von deutlich „weißen, bärtigen Männern“ aus der Mochica-Kultur. Kein populär geschriebenes Werk, keiner der üblichen für Touristen gemachten Osterinsel-Kunstbände.
Abb. 9 München, 2000, ISBN 3784426093 (hier geht´s zur Bildquelle)
...ist endlich ein Versuch, eine Theorie über die „weißen, bärtigen Männer“ aufzustellen. Das Buch beginnt mit einer langen Einleitung über Kolumbus und die Konquistadoren, die von den Azteken- und Inkaherrschern als „weiße Götter“ empfangen wurden. Unglaublich schnell sind die Spanier nicht nur in Mexiko, sondern auch in Südamerika, man sieht förmlich wenige Jahrtausende vor ihnen auch die „Viracochas“ in dieser Geschwindigkeit den Kontinent erobern. Oder „missionieren“, denn dies ist viel eher der Charakter, den die indianischen Sagen von ihnen hervorheben. Den Schluss des Buches bildet noch einmal ein Blick auf Polynesien, insbesondere in mythologischer und genealogischer Hinsicht.
Aber auch wenn das Buch auf jedem Gebiet durchaus noch Neues gegenüber seinen früheren Arbeiten bringt, so hat man doch den Eindruck, dass Thor müde geworden ist. Gemessen an all den Fakten zu diesen Themen, die er in seinen anderen Büchern durchaus anführt, enttäuscht dieses sehr; er hätte durchaus das Material gehabt, seine Thesen weit fundierter darzustellen, wie dies in „Wege übers Meer“ zum guten Teil auch geschehen war. Die gestochen scharfe Beweisführung und das Stehen auf dem neuesten Stand der Wissenschaft seiner früheren Werke sucht man hier vergebens, seitenweise ergeht er sich in äußerst verschwommenen Gedankengängen, kein bisschen besser als viele der diffusesten Diffusionisten.
Das Gewicht seiner hier vorgebrachten Argumente kann nur ein Leser bestimmen, der selbst intensiv in der Materie darinnensteht, aus dem Buch selber ist es nicht zu entnehmen. Ein Leben lang hatte er sich bemüht, sich mit jeden Einwand, der ihm von wissenschaftlicher Seite gemacht worden war, gründlich auseinanderzusetzen, während die Gegenseite eigentlich fast immer nur mit dem Nicht-Eingehen auf Heyerdahls Argumentationen antwortet – bis heute. Zwar ist Heyerdahl zu keiner Zeit an seiner Überzeugung irregeworden, aber offensichtlich an der Möglichkeit, mit seiner wohlbegründeten Auffassung durchzudringen. Er hat das Kämpfen aufgegeben, ein resignativer Unterton ist seinen Spätwerken eigen, der Schwung und die Schärfe seiner ersten Bücher sind gänzlich verschwunden.
Dafür tritt allerdings mit diesem Buch etwas anderes in den Vordergrund: seine Erschütterung, ja sein Entsetzen darüber, wie wir Weißen während der Eroberung Amerikas und bis heute mit den Indianern (und auch mit der Natur) umgesprungen sind. Andeutungen darüber finden sich durchaus in seinen früheren Schriften, aber nie zu solch einer bitteren Anklage geronnen wie hier. Nicht einmal ihre eigene Vergangenheit hat man den Indianern gelassen: lasst sie endlich selber sprechen, lasst sie berichten, was sie selber zu sagen haben, nehmt ihnen nicht noch immer ihre Vergangenheit, ihre Zukunft, ihre Religion, ihre Identität – und ihr Leben, das ist die Botschaft dieses Buches.


2.) Bücher über Thor Heyerdahl

Abb. 10 Das Cover einer englischsprachigen Version von Arnold Jacobys großer Heyerdahl-Biographie
Das Besondere an dieser wunderbar spannend und einfühlsam geschriebenen Biographie ist, dass sie von einem Klassenkameraden Thor Heyerdahls verfasst wurde. Heyerdahl erscheint hier nicht als der Sonnyboy, für den man ihn aufgrund seiner Bücher leicht halten kann. Es wird deutlich, wie unglaublich dreckig es ihm noch bis nach der Kon-Tiki-Fahrt geht und wie verbissen und mit unglaublicher Willenskraft er sich gegen alle möglichen schier unüberwindlichen Widerstände durchkämpfen muss – Sadismus von Vorgestzten, lebensgefährliche Situationen im Krieg, ins Groteske wachsende Schuldenberge und Rufmord-Kampagnen von Fachkollegen. Gestählt kam Heyerdahl aus dem Krieg, weiß Jacobi aus den persönlichen Begegnungen mit seinem Freund zu berichten. Das Buch überzeugt nicht nur durch seinen Stil, sondern genauso durch eine unglaubliche Detailkenntnis, die der Autor aus den Gesprächen mit dem Objekt seines Buches sowie aus einem akribischen Verfolgen der öffentlichen Debatte erworben hat. Da „Senor Kon-Tiki“ bereits 1966 geschrieben ist, behandelt es die Ereignisse nur bis zur Osterinsel-Expedition und seinem Umzug nach Italien. Leider enthält diese Schrift kein Quellenverzeichnis.
Man darf dieses Buch keinem Thor-Heyerdahl-Kenner in die Hand drücken; er wird entsetzt sein über die vielen Fehler im Detail, auf jeder Seite mehrere, die mindestens beim zweiten Lesen auffallen. Sicher ist es keine böse Absicht, aber eine Schludrigkeit, die auf keinen Fall das Prädikat einer seriösen Arbeit verdient. Das Schlimme ist, dass es sonst keine Gesamt-Biographie von Heyerdahl gibt (doch: inzwischen gibt es eine norwegische, die Heyerdahl Rassismus unterstellt!). Selbstverständlich erfährt man vieles über Heyerdahls Leben, was sonst nirgends zu finden ist. Aber es fehlt die volle Dimension von Thor Heyerdahls Anliegen; das Buch hat etwas ganz Oberflächliches. Ein Manko ist überdies, dass trotz des Existenz der Jacoby-Biographie der Schwerpunkt dieses Buches immer noch auf der ersten Lebenshälfte Heyerdahls liegt; die ungeheuer reiche zweite Lebenshälfte wird zu sehr durchgerast, die niederdrückende Tragik seines Nicht-Durchkommens gar nicht deutlich. Ganz fehlt z. B. die sehr wichtige zweite Osterinsel-Expedition. Schulz hätte einen zweiten Band, die Fortsetzung zu Jacoby schreiben und die erste Lebenshälfte ganz diesem überlassen sollen.
Dieses italienische Buch besteht fast nur aus Fotos, und diese sagen auch einem des Italienischen Unkundigen alles; Voraussetzung ist allerdings eine gewisse erste Vertrautheit mit seinem Leben. Die Fotos dieses Büchleins, das sich auf die zweite Lebenshälfte beschränkt, liefern erst die Details – und sogar Zusammenhänge! –, die einem bei Schulz` Biographie völlig fehlen. Gerade die beeindruckenden Bilder der 2. Osterinsel-Expedition bilden ein Zentrum dieser Dokumentation. Ich bin des Italienischen nicht mächtig und habe dennoch allein durch diese Bilder wesentlich mehr Neues über den „späten Heyerdahl“ erfahren als aus der Schulz-Biographie.


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