Zwerge in Wyoming? - Der kleine Mann aus den Pedro Mountains

Abb. 1 Die Pedro Moun- tains in Wyoming, USA. Hier wurde "Pedro", das "Männlein aus dem Berg", 1932 durch Zufall entdeckt.

(bb) Wyoming, USA, im Oktober 1932. Die beiden Prospektoren Frank Carr und Cecil M. Main [1], die ihren Minenschacht in die Flanke der Pedro Mountains (Abb. 1) getrieben hatten, hörten aus sicherer Entfernung den dumpfen Knall der Detonation. Wie immer hatten sie ihre Sprengung sorgfältig vorbereitet. Auch mit dem Dynamit war man wieder planvoll und sparsam umgegangen; man wollte ja nicht gleich den ganzen Stollen zum Einsturz bringen - und schließlich war das Zeug auch nicht gerade billig.

Als die Staubwolke sich verzogen hatte und alles wieder begehbar war, staunten die Goldsucher nicht schlecht: statt der erhofften, erzhaltigen Brocken erwartete sie hier jemand, der möglicherweise schon seit tausenden von Jahren keinen Besuch mehr gehabt hatte: in einer kleinen Fels-Nische, die nun ans Licht gekommen war, saß, mit verschränkten Armen und Beinen, die verschrumpelte Mumie eines kleinen Männleins, das seine Entdecker gleichermaßen freundlich wie hintergründig anzulächeln schien. (Abb. 2)

Bei Readers Digest hieß es 1982 über den kleinen Mann [2] aus den Pedro Mauntains: "Seine Hände waren in seinem Schoß gefaltet, in der zeitlosen Attitüde eines Buddha. Er schien in mittlerem Alter zu sein. Seine Haut war braun und verschrumpelt, seine Nase flach, die Stirn niedrig, der Mund breit und schmallippig. Und er war nur 14 Inch [ca. 35 cm] groß." [3] Die verdutzten Bergleute begriffen immerhin sofort, dass sie hier auf etwas absolut Ungewöhnliches gestoßen waren und brachten ihren Fund umgehend in die etwa 60 Meilen nordöstlich gelegene Stadt Casper, wo er ersten Begutachtungen unterzogen wurde.

Die örtlichen Wissenschaftler, welche die zwergenhafte Mumie in die Hände bekamen, waren zumindest ebenso verwirrt wie ihre Entdecker. Auch die vorläufigen Ergebnisse, die sie verlauten ließen, waren noch etwas 'halbgar'. So hielt man hielt man das Fundobjekt z.B. für einen mumifizierten Pygmäen, möglicherweise für einen - man höre und staune! - Vorläufer der amerikanischen Indianer, der bei seinem Tod ein zeremonielles Begräbnis erhalten hatte.

Abb. 2 'Pedro', Der kleine Mann aus den Pedro Mountains. Kleinkind, Pyg- mäe oder (krypto-) anthro- pologische Anomalie?

Nachdem 'Pedro', wie der kleine Mann aus dem Berg bald allgemein nach seinem Fundort genannt wurde, einige Jahre lang auf Wander-Ausstellun- gen und Kuriositäten-Vorführungen herumgezeigt worden war, wurde er von Ivan T. Goodman erworben, einem Geschäftsmann aus Casper. Goodmann, dem wir unterstellen dürfen, dass er nicht nur 'schnelles Geld' mit seiner Erwerbung machen wollte, brachte das Objekt zu wissenschaft- lichen Untersuchungen nach New York City. Dort fertigte Dr. Harry Shapiro vom American Museum of Natural History Röntgen-Aufnahmen (Abb.3) der Mini-Mumie an. Bald war jeder Zweifel ausge- schlossen:

Dr. Shapiros Befunde und weiterführende Untersuchungen in der an- thropologischen Fakultät der Harvard University (die den Fund offiziell authentifizierte) bestätigten einwandfrei, dass es sich bei 'Pedro' tatsächlich um die sterblichen Überreste eines zwergenhaften Menschenwesens handelte, dessen Herkunft und Abstammung freilich weiterhin im Dunklen liegen. Immerhin konnten die Wissenschaftler eine Schätzung zu dem vermutlichen Lebensalter abgeben, das 'Pedro' offenbar erreicht hatte. Die erkennbaren Abnutzungserscheinungen des kleinen Körpers entsprachen denjenigen eines 65-jährigen Menschen normaler Größe.

Diese Ergebnisse weckten auch wieder das Interesse an alten indianischen Überlieferungen und Legenden über gnomenhaft winzige Leutchen aus ferner Vergangenheit, von denen etwa die Schoschonen und Crow-Indianer Wyomings zu berichten wussten. Aber auch in anderen Gegenden Nordamerikas gab es solche Mythen. Einen Hinweis darauf finden wir z.B bei William R. Corliss: "Der Brief eines Cherokee beschreibt die Cherokee-Überlieferung von >Kleinen Leuten< oder Pygmäen, die einst in den südlichen Appalachen lebten. Es ist schon interessant, dass die Cherokee-Sprache über ein Wort für >Pygmäen< verfügt, das an Worte in verschiedenen europäischen Sprachen erinnert, die >Zwerg< oder >Pygmäe< bedeuten." [4]

Abb. 3 Eine der Rönt- genaufnahmen, die Dr. Harry Shapiro von 'Pedro' machte. Sie zeigt, dass es sich hier tatsächlich um eine echte Mumie gehan- delt hat.

Doch zurück zu 'Pedro'. Nach Goodmanns Tod im Jahre 1950 ging die Mumie in den Besitz eines gewissen Leonard Wailer über, unter dessen "Obhut" sie dann - wie auch immer – verschwand. Das öffentliche Interesse an diesem mysteriösen Fundobjekt erlosch jedoch niemals ganz. 1979 zeigte man Dr. George Gill, einem Professor für Anthropologie an der Universität von Wyoming, Bilder von Shapiros Röntgenaufnahmen (Abb. 3). Gill fand eine konforme Lösung, die den unbequemen und brisanten Fund vermutlich 'entschärfen' sollte: "Der verwitterte kleine Körper, so schlussfolgerte er, sei der eines Kindes oder eines Fötus, möglicherweise von einem unbekannten Stamm prähistorischer Indianer. Er glaubte, dass das Kind an Anenzephalie gelitten habe, einer angeborenen Abnormität, die für die Erwachsenen-Proportionen seines Skelettes verantwortlich sei." [5]

Diese "wissenschaftliche" Erklärung scheint allerdings höchst spekulativ, wenn wir die weitere Begründung hören: "Wie Dr. Gill hervorhob, könnten die Indianer weitere Mumien ähnlich erkrankter Kinder gefunden und ganz selbstverständlich angenommen haben, es seien die Überreste kleiner Erwachsener." [6] Dr. Gill vertrat den Standpunkt, dies sei eine Erklärung für indianischen Mythen und Legenden von "kleinen Leuten", die in alten Zeiten in Nordamerika gelebt haben sollen.

Bei näherer Betrachtung erscheint Gills Hypothese allerdings insgesamt wenig wahrscheinlich. Wie auch unsere Quelle feststellt, sind die "Entdeckungen mumifizierter Überreste in Wyoming nicht ungewöhnlich, das ein arides [vorwiegend trockenes; d.A.] Klima aufweist". 'Pedro' ist jedoch - nicht nur in Wyoming - der einzige dokumentierte Fund einer derartigen "Mini-Mumie". Tatsächlich ist Anenzephalie eine recht seltene Erbkrankheit, aber das stützt Gills Annahme nicht, es spricht sogar gegen sie.

Es scheint bisher nämlich keinerlei "gesicherte" Erkenntnisse darüber zu geben, dass diese spezifische Erkrankung früher bei bestimmten nordamerikanischen Völkern verbreitet gewesen sein könnte. Das Fehlen irgendwelcher Vergleichsfunde spricht also gegen Gill's Annahme, dass Indianer vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden wiederholt die Mumien an Anenzephalie erkrankter Föten oder Kleinkinder gefunden haben sollen, die dadurch zur Grundlage der entsprechenden Überlieferungen geworden sein könnten.

Abb. 4 Eine weitere über- lieferte Fotographie der Mumie aus den Pedro Mountains.

Außerdem kann Gill uns mit seiner Idee auch nicht verständlich machen, warum und wie 'Pedro' von den hypothetischen Proto-Indianern in seine (später offensichtlich völlig unzugängliche) Gruft im Berg gebracht worden sein soll - immerhin ist dies auch keine typische Bestattungsform der dort ansässigen Indianervölker. Es ist zutiefst bedauerlich, dass offenbar auch keine archäologischen oder geologischen Untersuchungen der Fundstätte vorgenommen wurden. Wir dürfen somit - nach dem Verschwinden der Mumie - nicht hoffen, nähere Aufklärung über das Alter und die genaueren Umstände ihrer Bestattung [7] zu erhalten.

Wir können also nur darüber spekulieren wann, wie und warum 'Pedro' dorthin gekommen ist, wo man ihn 1932 gefunden hat. Auch seine Natur bleibt weiterhin ungeklärt. Haben wir es nun mit einer medizinischen oder einer anthropologischen Anomalie zu tun? Feststellen können wir lediglich, dass wir Gills Hypothese zumindest als Erklärung für die Mythen und Legenden indianischer Völker von "Kleinen Leuten" ausschließen dürfen. Auch die ältere Pygmäen-Interpretation der Mumie ist aller Wahrscheinlichkeit nach falsch, da erwachsene Pygmäen im Vergleich zu unserem Winzling von gerade einmal 35 cm schon fast wie Riesen wirken.

Mit unserer Ablehnung der Gill-Hypothese argumentieren wir allerdings keineswegs gegen eine mögliche Anwesenheit pygmäischer Völkerschaften in Nordamerika, wie sie uns durch die indianischen Legenden für eine nicht allzu ferne Vergangenheit nahe gelegt wird. Corliss stellt dazu an anderer Stelle fest: "Anthropologische Texte von heute sagen uns wenig über Pygmäen, die das alte Nord-Amerika bevölkerten, aber ein Jahrhundert zuvor, als winzige Gräber, bestückt mit winzigen Skeletten, in Tennessee entdeckt wurden, brach eine Kontroverse aus. Waren das die Knochen von Pygmäen oder von Kindern normal großer Stämme?

Abb. 5 Dieses von Barry Fell veröffentlichte Foto zeigt einen der präkolum- bischen Pygmäen-Schädel, die bei Holliston Mills, Ost-Tennessee, entdeckt wurden. Ein entfernter Verwandter von 'Pedro'?

Die letztere Wahl wurde getroffen, und dann hören wir nichts mehr zu dem Thema – zumindest aus den gewöhnlichen akademischen Kreisen." Dann fügt er hinzu: "Aber ein paar Nachklänge sind andernorts nach wie vor wahrnehmbar. V.R. Pilapil beteuert beispielsweise, dass die diskutierten Tennessee-Gräber TATSÄCHLICH Pygmäen beinhalteten. Nicht nur das, sondern er hypothetisiert, dass die Pygmäen in alten Zeiten aus Südost-Asien, vermutlich von den Philippinen, gekommen seien, wo heute die winzigen Aetas leben". [8]

Barry Fell von der US-amerikanischen Epigraphic Society untersuchte Skelett-Material aus den Tennessee-Gräbern. Er "stellte fest, dass: (1) Das Schädel-Hirn-Volumem bei etwa 950 Kubik-Zentimetern lag, etwa das Volumen eines siebenjährigen Nicht-Pygmäen; (2) Die Zähne waren vollständig entwickelt und zeigten die schweren Abnutzungs-Erscheinungen heran gereifter Individuen; und (3) Die Schädel waren brachycephalisch mit vorstehenden Zähnen. Fell hatte in der Tat Schädel beschrieben, die sehr denjenigen heutiger, erwachsener Aetas auf den Philippinen ähneln." [9]

Der Alternativ-Historiker Peter Marsh, der aus seinen Webseiten Polynesian Pathways einen der Pygmäenschädel (Abb. 5) von der Fundstätte bei Holliston Mills, Ost-Tennessee vorstellt, bemerkt unter Berufung auf Fells Buch "America B.C." zudem: "Eine signifikante Population dieser Leute lebte vor zwischen 40 000 und 3000 Jahren in diesem Gebiet." [10] Spätestens hier wird klar, warum die US-Anthropologie die alten Pygmäen von Tennessee möglichst schnell vergessen wollte: Mit Menschen, die vor weit mehr als 12 000 - 13 000 Jahren Amerika bewohnt haben, will man in diesen Kreisen nichts zu tun haben; besagt die gültige Lehmeinung doch, dass der Doppel-Kontinent erst zu diesem Zeitraum erstmals besiedelt wurde und zuvor menschenleer und unberührt gewesen war (vergl. dazu: Farewell, Clovis! - Vom langsamen Sterben eines Paradigma).

Was 'Pedro' und seine möglichen Verwandten angeht, hilft uns das Theorem amerikanischer Pygmäen vermutlich nicht weiter. Auch die Hypothese, es handle sich in seinem Fall um eine krankheitsbedingte Anomalie, darf weiterhin als unbewiesen gelten. Selbst Dr. Gill musste 1979 feststellen: "Alles, was wir haben, sind quälende Informationsfetzen", und auf deren Grundlage ist keine zufriedenstellende Lösung des Problems möglich. Das Rätselraten um die Frage nach 'Pedros' Herkunft und um seine genauere Identifikation wird solange weitergehen, bis die Mumie vielleicht doch eines Tages wieder auftaucht, oder bis möglicherweise echte Vergleichsfunde gelingen, die uns mehr verraten könnten.

Ende


Addendum

Pedro-Röntgenbild 2.jpg
Abb. 6 Eine weitere Version des Röntgenbildes der Mumie in Frontal- und Seitenansicht.


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Quelle: o.A. "Mummified Miniature Man Found in Rockies", in: The Stanstead Journal, 26. März 1942, S. 2
  2. Bei Wikipedia (April 2009) findet sich unter Zwergenmumie von Wyoming die Angabe, es soll sich - laut Dr. Harry Shapiro - bei 'Pedro' um die Mumie einer Frau gehandelt haben, deren Schädel "eingeschlagen" war. Der Verfasser hat dies allerdings nirgendwo in der ihm zugänglichen Literatur bestätigt gefunden.
  3. Quelle: "Mysteries of the Unexplained", Reader's Digest General Books, The Reader's Digest Association, 1982; ins Deutsche übersetzt nach http://www.geocities.com/TheTropics/Lagoon/1345/pedro.html durch team Atlantisforschung.de; Original-Quellen: The Casper Star-Tribune, 22. Juli und 24. Juli, 1979; The Casper Tribune Herald, 22. Oktober 1932; C.J. Cazeau und Stuart D. Scott, Exploring the Unknown, S. 222
  4. Quelle: William R. Corliss, SOME NEWLY DISCOVERED ARCHEOLOGICAL ANOMALIES FROM NORTH AMERICA, in Science Frontiers Nr. 48, Nov. / Dez. 1986, online unter: http://www.science-frontiers.com/sf048/sf048p02.htm ; Corliss bezieht sich dort auf: Epigraphic Society, Occasional Publications, 15: 33, 77, and 77, 1986
  5. Quelle: "Mysteries of the Unexplained", Reader's Digest General Books, The Reader's Digest Association, 1982; ins Deutsche übersetzt nach http://www.geocities.com/TheTropics/Lagoon/1345/pedro.html durch Atlantisforschung.de; Original-Quellen: The Casper Star-Tribune, 22. Juli und 24. Juli, 1979; The Casper Tribune Herald, 22. Oktober 1932; C.J. Cazeau und Stuart D. Scott, Exploring the Unknown, S. 222
  6. Quelle: ebd.
  7. Anmerkung: Theoretisch besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass 'Pedro' noch gar nicht tot war, als er in seine natürliche Gruft kam. Er könnte sich etwa zum sterben in eine Höhle zurückgezogen haben, wie es z.B. im alten Indien viele Brahmanen taten, die ungestört während der Meditation aus dieser Existenz scheiden wollten.
  8. Quelle: William R. Corliss in: Science Frontiers Nr. 84, Nov. / Dez. 1992, online unter American Pygmies
  9. Quelle: ebd.
  10. Quelle: Peter Marsh, "Polynesian Pathways", (Kapitel: "Catastrophes and Prehistory")

Bild-Quellen:

1) wyolife.com - World Events & Western Sense, unter: http://www.wyolife.com/0927_008.jpg (Bild dort nicht mehr online)
2) Pedro the Mountain Mummy
3) David Hatcher Childress, Technology of the Gods, Adventures Unlimited Press
4) Pedro the Mountain Mummy
5) Peter Marsh, Polynesian Pathways, unter: Catastrophes and Prehistory
6) Мумия Педро из Вайоминга