Die vergessenen Pyramiden der Azoren (2)

Die Entdeckungsgeschichte der Azoren

von Dr. rer. nat. Dominique Görlitz

Abb. 1 Inzwischen erscheint es durchaus gesichert, dass die Azoren nicht erst im 15. Jahrhundert durch die Portugiesen entdeckt wurden, sondern bereits weitaus früher von den Phöniziern oder Karthagern. (Bild: Eine phönizische Trieme)

Nach der „offiziellen“ Geschichtsschreibung wurden die Azoren durch den Portugiesen Diogo de Silves im Jahr 1427 entdeckt. Im Unterschied zu den Kanaren waren die Inseln bei der Ankunft der Portugiesen unbewohnt. Ihre Kolonisierung begann erst ab der Mitte des 15. Jahrhunderts. Nach dem Fund von neun karthagischen Münzen auf der Insel Corvo im 17. Jahrhundert hatten Historiker sehr früh erste Vermutungen geäußert, dass die Azoren möglicherweise bereits durch die Phönizier entdeckt worden sein könnten.

Diese Annahme wurde auch durch sehr alte Kulturpflanzen untermauert. Mehrfach hatte man bei botanischen Sammelreisen verwilderte Spritzgurken (Ecballium ellaterium L.) (Abb. 2) nachgewiesen (report passim. Prof. K. Hammer). Dieses zu den Kürbisgewächsen zählende Gewächs stammt aus dem fernen östlichen Mittelmeer. Es war in der Antike insbesondere bei den Griechen und Römern als Heilpflanze sehr begehrt [1]. Auch die Ägypter hatten sie wegen ihrer giftigen Inhaltsstoffe geschätzt, die man als Abführmittel anwendete. Eine Darstellung in Tell-el-Amarna dokumentiert die Kenntnis der Spritzgurke im Niltal. Archäologisch ist sie als Zuchtform jedoch bis heute nicht nachgewiesen [2]. Es gilt heute als gesichert, dass die Griechen diese Kulturpflanze bis in die westlichen Bereiche des Mittelmeers verbreiteten [3]. Die im letzten Jahrhundert gefundenen verwilderten Spritzgurken auf den Azoren stellten einen ersten Hinweis für die Hypothese dar, dass diese Heilpflanze lange vor den Portugiesen durch frühgeschichtliche Entdecker auf diesen Archipel verschleppt wurde.

Abb. 1 Die Spritzgurke (Ecballium ellaterium L) Wie gelangte diese alte Kulturpflanze auf die Azoren? Eine anthropochore Verbreitung (Import durch den Menschen) ist mehr als naheliegend.

Auch die schriftlichen Überlieferungen aus der Antike über weit entfernt im Atlantik liegende, bewohnte Inseln liefern weitere Argumente, dass die geographischen Kenntnisse der antiken Kosmographen nicht an den Kanarischen Inseln ihre westliche Begrenzung fanden. Überlieferungen von Autoren, wie z.B. Diodor von Sizilien, Plinius der Ältere oder Strabo u.v.a., die ein hohes Maß an Übereinstimmung zeigen, beschreiben, dass es im Meer des Westens (= Oceanus) weit von Afrika entfernte, große und bewohnte Inseln gibt. Die meisten Fachleute gehen jedoch immer noch davon aus, dass mit diesen Schilderungen lediglich die Kanaren gemeint waren [4]. Diese Überlieferungen werden somit in der Archäologie nicht als Beweis für weitreichende Entdeckerfahrten antiker Seefahrer gewertet.

Der bisher bedeutendste archäologische Fund wurde mit der Entdeckung eines karthagischen Tempels auf der Insel Terceira im Jahr 2011 gemacht [5]. Doch auch in diesem Fall beruhigte sich die Fachwelt schnell wieder mit gegenseitigen Statements, dass solche Funde nur die zeitweilige Anwesenheit von Schiffbrüchigen bekunden würden. [6] Man war sich schnell einig, dass ab der Bronzezeit durchaus Seefahrer von Sturm- und Schlechtwetterereignissen zufällig und ohne Absicht über den Atlantik getrieben wurden. Keinesfalls wurde diese Entdeckung als Beleg für eine mögliche frühgeschichtliche Besiedlung gewertet. Der Zufallsfund des phönizischen Tempels wurde auch nicht zum Anlass genommen, die Azoren endlich systematisch zu durchforsten und nach Spuren weiterer frühgeschichtlicher Migrationen zu suchen.



Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Dr. Dominique Görlitz (©) wurde erstveröffentlicht in Magazin Mysteries 5/2014. Bei Atlantisforschung.de erscheint er im August 2017 mit freundlicher Genehmigung des Verfassers in einer redaktionell bearbeiteten Online-Fassung.

Fußnoten:

  1. Hammer, K. (2002): Kürbis, Kiwano & Co – Der Katalog zur Ausstellung, Universitätsbibliothek Kassel.
  2. Germer, R. (2008): Handbuch der ägyptischen Heilpflanzen, Harrassowitz, Wiesbaden.
  3. Emmerling-Skala, A. (2002): Kürbis, Kiwano & Co – Vom Nutzen der Vielfalt, Universitätsbibliothek Kassel
  4. Gallez, P. (1980): Das Geheimnis des Drachenschwanzes – Die Kenntnis Amerikas vor Kolumbus, Dietrich Reimer Verlag, Berlin.
  5. paj.cm, "Carthaginian temples found – Azores", 09. Juli 2011, bei Portuguese American Journal (abgerufen: 16. August 2017)
  6. Siehe dazu auch: Tara MacIsaac, "Controversy Surrounds Artifacts on Azores Islands: Evidence of Advanced Ancient Seafarers?", 16. Okober 2016 bei The Epoch Times (abgerufen: 16. August 2017)

Bild-Quellen:

1) Bild-Archiv Atlantisforschung.de
2) Bild-Archiv Dr. Dominique Görlitz