Auf der Suche Nach der Mutterkultur (Leseprobe)

Einleitung

von Gernot L. Geise und Reinhard Prahl

Abb. 1 "Auf der Suche nach der Mutterkultur" (257 S., zahlr. Abb., Hardcover) von Gernot L. Geise und Reinhard Prahl erschien 2005 im Michaels-Verlag (Peiting). Erhältlich für € 24.00. ISBN: 5-89559-620-6

Sommer 1994. 185 Kilometer von Lima entfernt im Supe Valley in Peru befand sich die einheimische Archäologin Ruth Shady Solis bei der Untersuchung eines Gebietes, das ihren Kollegen bereits seit 1905 bekannt ist, dem sie aber nie viel Bedeutung beimaßen. In Gedanken versunken ließ die Frau den Blick über die zahlreichen mit Wüstensand bedeckten Hügel gleiten. Ihre Phantasie schweifte weit in die Vergangenheit ab. Zwar wurden hier damals einige wenige Ausgrabungen vorgenommen, doch die Ergebnisse waren aus der Sicht der Archäologen alles andere als spektakulär. Eine zwar hochentwickelte aber doch relativ junge Kultur soll sich in dieser trockenen Einöde befunden haben.

So geriet Caral, so heißt diese Ausgrabungsstätte, wieder in Vergessenheit, bis Ruth Shady 1994 hier auftauchte, um sich die Gegend genauer anzuschauen. Sie stand vor einem riesigen Hügel, doch irgendetwas stimmte hier nicht. Waren dort nicht gleichmäßige Strukturen zu entdecken, Ecken und Kanten, die nicht durch die Natur erschaffen worden sein können? Dieser Gedanke ließ die engagierte Archäologin nicht mehr los. Und so organisierte sie die erste bescheidene Grabung in Caral seit 89 Jahren. Was sie entdeckte, war nicht weniger als die größte Sensation der südamerikanischen Archäologie dieses Jahrhunderts. Denn Shady Solis hatte die älteste Pyramidenstadt Amerikas, ja vielleicht sogar der Welt entdeckt!

Die Wiederentdeckung Carals ist nur eine von mehreren seit den 70er Jahren, die die Geschichtsforschung und vornehmlich die Amerikanistik gründlich auf den Kopf gestellt haben. Sie widerlegte eines der wichtigsten Argumente gegen den Diffusionismus, der Theorie, nach der sich die antiken Kulturen über den Seeweg bereits sehr früh gegenseitig befruchteten. Ging die Fachwelt bisher immer davon aus, es könne keine Kontakte zwischen der Neuen und der Alten Welt gegeben haben, weil die Zeiträume zwischen den Kulturen von Sumer, Ägypten, dem Industal oder China auf der einen und den Völkern der Neuen Welt auf der anderen Seite einfach zu weit auseinander liegen, wurden sie durch Caral eines Besseren belehrt. Eines der wichtigsten Argumente gegen den Diffusionismus ist somit endgültig und unwiederbringlich widerlegt. Der von den meisten Fachleuten bisher gepflegte Denkansatz nennt sich logischerweise Isolationismus. In der Regel gilt bei Historikern der Grundsatz: Nur Träumer und Spinner hegen den Traum von einer Mutterkultur, von der alle Zivilisation ausging. Um so verwirrender muss es gewesen sein, dass ausgerechnet eine Archäologin diese Entdeckung machte.

Aber auch das Dogma, Amerika sei allein über die Beringstraße besiedelt worden, muss nach den neuesten Erkenntnissen, auf die wir später zu sprechen kommen, neu überdacht werden. Die in Südamerika entdeckten Artefakte werden heute weiter denn je zurückdatiert, ob das nun realistisch ist oder nicht. Die Konsequenzen daraus sind ohne Übertreibung sensationell. Erstens beweisen die Funde, dass sich die Hochkulturen Amerikas offenbar von Süden nach Norden anstatt von Norden nach Süden entwickelten. Zweitens liegt die Epoche der Entstehung dieser frühen hierarchisch strukturierten Gemeinschaften so weit zurück, dass die Einflussnahme antiker Völker der Alten Welt auf die südamerikanischen Völker kaum noch vertreten werden kann, es sei denn, man betrachtet die vorgegebenen Zeiträume etwas realistischer. Da den entsprechenden Wissenschaftlern solche wirklich mutigen Schritte wohl kaum in den Sinn kommen, werden wir wohl mit den maßlos überdehnten Zeithorizonten weiter leben müssen. Demnach hatten die Indianer lange genug Zeit, ihre eigenen Kulturen herauszubilden. Und demnach waren sie sogar in ihrer Entwicklung schneller als die Nordafrikaner und die Asiaten!

Andererseits wissen wir von Übereinstimmungen zwischen südamerikanischen Kulturen und Völkern wie den Guanchen und anderen nordafrikanischen Stämmen auf der atlantischen, und asiatischen Völkern wie den Jomon auf der pazifischen Seite des amerikanischen Kontinents, die so groß sind, dass man sie nicht mehr als zufällig abtun kann. Nicht nur die Pyramidenbauten, die sich wie ein Gürtel um den Erdball ziehen, zeugen von diesen Kontakten, auch Übereinstimmungen in Keramik, Sprache, Schrift, Flora und Fauna, in der Kunst, in der Genetik, ja selbst in Traditionen und den Volkssagen lassen heute nur den einen Schluss zu: Es gab über einen langen Zeitraum Kontakte zwischen allen Kontinenten, die zu nachhaltigen Beeinflussungen führten! Mehr noch: Es muss einst eine Mutterkultur gegeben haben, von der alles ausging!

Mythen von untergegangen Kontinenten auf der ganzen Welt - wie Atlantis und Mu - enthalten das Wissen um ein Volk, welches seinen Zeitgenossen so weit voraus war, dass man die Menschen (später) als Halbgötter und Heroen verehrte. Diese im wahrsten Sinne des Wortes Hochkultur muss zahlreiche Völker, vor deren Ruinen wir heute staunend stehen, zumindest beeinflusst haben. Zwischen -12.000 und -10.000 ging dieses Volk in einem unsagbar grausamen Kataklysmus unter und fiel über Jahrtausende der Vergessenheit anheim. Auch dafür haben wir glaubwürdige Belege. Mindestens 88 weltweite Sintflutmythen sprechen hier eine deutliche Sprache. Die Forschungen Immanuel Velikovskys, dessen große Quellenleistung unbestritten ist, beweisen eindeutig, dass es überall auf der Welt umwälzende Naturereignisse gegeben haben muss, die letzten Endes dazu führten, dass dieses große Volk nunmehr ein Stoff für Sagen und Legenden wurde. Nur Mythen und Legenden erinnern also noch entfernt an dieses Goldene Zeitalter.

Platon war nur einer der "literarischen Helden" der Antike, der die Erinnerung an diese Zeit wach halten wollte. Leider machte er, wie wir noch sehen werden, einen entscheidenten Fehler. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde die Atlantissage nicht von Solon überliefert, sondern Platon hörte sie auf seiner Ägyptenreise -388 mit eigenen Ohren. Leider schrieb er sie erst rund zwanzig Jahre später auf, so dass sich Fehler einschleichen konnten, die die Suche nach diesem sagenumwobenen Land bis heute erfolglos verlaufen ließen.

Wir glauben gute Belege dafür liefern zu können, dass der griechische Philosoph mindestens zwei Sagen miteinander verband, nämlich einmal die von einem "in einem schlimmen Tag und einer schlimmen Nacht" unbewohnbar gewordenen Kontinent, und die Geschichte über eine untergegangene Hochkultur, die Einfluss auf viele Kulturen der Alten Welt ausübte.

Über die seefahrerischen Künste unserer Vorfahren kann heute, nach den wichtigen Forschungsfahrten Thor Heyerdahls und anderer nicht mehr der geringste Zweifel bestehen. Felszeichnungen von Schiffen auf den Kanaren, Heyerdahls letztem Forschungsziel, zeigen große Ähnlichkeiten zu Reliefs, die das Team des Kon-Tiki Museums in Tucumé in Peru entdeckte. Diese Reliefs lassen sich bis in die Zeit der Moché und somit bis zum Beginn unserer Zeitrechnung zurückverfolgen und zeigen uns somit die große Seefahrertradition der Andenvölker. Doch auch diese Reliefs weisen in eine viel weiter zurückliegende Vergangenheit, als man es sich für Südamerika noch vor dreißig Jahren auch nur zu träumen wagte. Vieles deutet darauf hin - und das ist ein Teil der Geschichte, die wir zu erzählen haben -, dass das Volk, welches die antiken Kulturen nachhaltig beeinflusste, aus Amerika kam! Ursprünglich stammte dieses große Volk jedoch aus einem anderen Land, einer bis heute politischen Tabuzone.

Damit beschreiten wir einen neuen, bisher so noch nie gegangen Weg. Alle anderen Forscher setzten bisher das Gegenteil voraus. Wie wir im folgenden zeigen werden, mit einiger Wahrscheinlichkeit zu Unrecht.

Wer war dieses Volk, woher, wie und wann kamen es auf den amerikanischen Kontinent? Was veranlasste es, seine Heimat zu verlassen und wie sahen seine Angehörigen aus? All diese Fragen versuchen wir wenigstens im Ansatz zu beantworten. Die Forschungen in Amerika sind, was die sogenannte formative Periode betrifft, noch am Anfang. Viele Funde sind noch nicht ausgewertet, nicht veröffentlicht und noch nicht einmal zusammengestellt. Viel Arbeit wird noch zu leisten sein. Doch das, was uns bisher vorliegt, reicht dazu aus, um uns einen Einblick in eines der spannendsten Kapitel der Menschheitsgeschichte zu gewähren: Dem Beginn menschlicher Zivilisation!


Siehe auch: Gernot L. Geise und Reinhard Prahl: Auf der Suche nach der Mutterkultur - Rezension von Dr. Horst Friedrich


Anmerkungen und Quellen

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