Atlantis, eine geologische Tatsache

von unserem Gastautor Ferdinand Speidel

Abb. 1 Eine sequenzierte und erläuterte sowie kommentierte Übersetzung von "Atlantis – en geologisk verklighet". Mit seinen aktuellen Reflexionen über Dr. René Malaises, im Jahr 1951 erschienenes Buch ermöglicht Ferdinand Speidel erstmals sowohl eine atlantologische als auch wissenschaftsgeschichtliche Diskussion dieses bedeutenden Werks im deutschsprachigen Raum, die über einen kleinen Kreis des Schwedischen mächtiger Experten hinausgeht. Noch heute ist Malaises Werk von ungebrochener Aktualität, was die Diskussion ozeanographischer bzw. meeresgelogischer Anomalien angeht, die auf rapide und äußerst massive vertikale Bewegungen großräumiger Areale der Meeresböden (so genannte Transgressionen) während rezenter geologischer Perioden hinweisen. Dies macht dieses veritable Stück Wissenschafts-Geschichte insbesondere für den heutigen Diskurs im Bereich des Neo-Katastrophismus wertvoll.

...So drückte es Dr. René Edmond Malaise (1892–1978) aus. Er war Entomologe beim Naturhistorischen Reichsmuseum in Stockholm, und er ging der Frage nach, wie sich bestimmte Insekten über weite Gebiete der Erde verbreiteten, die über riesige Entfernungen durch Ozeane voneinander getrennt waren. Dafür gab es in seiner Hauptschaffenszeit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine zufriedenstellende Antwort.

Zu jener Zeit konkurrierte eine Reihe von Thesen, welche die geologischen Veränderungen auf der Erde zu erklären versuchten. Darunter waren die heute noch anerkannte Isostasie-Lehre, die Konvektionstheorie, die Kontraktionstheorie, unterschiedlichste Landbrückentheorien und auch die von Alfred Wegener ursprünglich aufgestellte These der Kontinentalverschiebung war noch nicht 'endgültig' vom Tisch. [1]

In Gesprächen mit seinem Kollegen Hjalmar Odhner, den für sein Arbeitsgebiet der Malakologie (Weichtierforschung) ähnliche Probleme umtrieben, erfuhr er, dass Odhner eine eigene These entwickelt hatte, die 'Konstriktionstheorie'. Sie basierte auf Veränderungen der Erdkruste durch Zusammenziehung oder Zusammenschnürung, die durch die Wärmeeinwirkung aus dem Erdinneren veranlasst wurden. Diese Wärmeeinwirkung verursacht Wölbungen, die abwärts (Synklinale oder Geosynklinale) oder aufwärts (Antiklinale oder Geoantiklinale) gerichtet sind. Nach Ansicht Odhners konnten sich solche Synklinalen und Antiklinalen zu Gebirgen auffalten, aber auch einstürzen. Diese These geht vor allen Dingen von vertikalen Bewegungen aus, die die Erdoberfläche kontinuierlich verändern.

Die Geologie hatte sich zu jener Zeit noch nicht auf eine These festgelegt, dagegen sahen die Biologen die Notwendigkeit von Landbrücken, um das Erscheinen von Faunen und Floren in Gebieten zu erklären, die durch Meere oder auch durch Hochgebirge voneinander getrennt waren, die unüberwindliche Hindernisse darstellten. Deshalb hatten viele Biologen verschiedenste Theorien zu Landbrücken entwickelt, viele andere hatten sich der Wegenerschen Kontinentaldrift-Theorie angeschlossen, obwohl in manchen Fällen ein mehrfaches Auseinander- und Zusammentreiben von Nöten gewesen wäre.

Malaise erkannte, dass Odhners Konstriktionstheorie in der Lage war, einerseits die geologischen Veränderungen sinnvoll zu erklären und andererseits den Biologen die Landverbindungen aufzuzeigen, die durch die Veränderungen verschwunden sind oder auch neu entstanden.

Er baute die Konstriktionstheorie weiter aus und fasste schließlich seine Erkenntnisse in einem Buch mit dem Titel "Atlantis – en geologisk verklighet" [2] zusammen. Es behandelt vorwiegend geologische Fragen und Probleme bei gleichzeitiger Berücksichtigung biologischer Aspekte. Das Thema 'Atlantis' selbst wird nur in einem kleinen Abschnitt erwähnt, und es macht fast den Anschein, als kenne Malaise dieses Thema nur aus dem Buch "Atlantis the Antediluvian World" von Ignatius Donnelly. Daher ist nicht auszuschließen, dass er den Titel seines Buches als Blickfang wählte, um der Konstriktionsthese eine breite Publizität zu verschaffen. [3]

Das Buch erschien 1951 in schwedischer und später auch in englischer Sprache, eine deutsche Version wurde nicht herausgegeben. Inzwischen ist es längst vergriffen und erlebte auch keine Neuauflage. Der Schreiber dieser Zeilen hatte das Glück, ein Exemplar des Buches in schwedischer Sprache zu erstehen und konnte es in mühsamer Arbeit - versehen mit eigenen Kommentaren und Erläuterungen - ins Deutsche übertragen. [4]

Mit der hier als PDF-Datei vorgelegten Arbeit kann ein interessiertes Publikum endlich auch im deutschsprachigen Raum auch ohne Fremdsprachen-Kenntnisse Malaises Hauptwerk kennen lernen und selbst feststellen, warum es nach wie vor zu den Klassikern der Atlantisforschung gehört.



Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Anmerkung des Verfassers: Die These Wegeners baute auf der Ähnlichkeit der Küstenlinien vor allem Westafrikas und des östlichen Südamerikas auf. Er nahm an, dass diese Kontinente, wie auch alle übrigen einst eng miteinander verbunden waren, bevor sie begannen, auseinander zu treiben.
    Nachdem aber durch Studien von Erdbeben beweisen, dass die Erde zumindest bis zu 700 km Tiefe fest ist, gibt es keine existente Kraft, die große genug wäre, die Stärke der Erdkruste zu überwinden.
    Wegeners ursprüngliche These setzte jedoch voraus, dass der Untergrund der Erdkruste mehr oder weniger flüssig oder viskos ist, sodass die Kontinentalblöcke darauf treiben könnten.
    Die auf Wegeners Idee aufbauende Plattentektonik betrachtet dagegen die Kontinentalblöcke als starre Platten, die sich zum Teil in gleicher, zum Teil in gegensätzlicher Richtung bewegen.
  2. Siehe: René Malaise, "Atlantis - en geologisk verklighet: Jordskorpans rörelser, deras orsaker och verkningar - Nya rön och åsikter", Stockholm (Nordiska Bokhandeln), 1951
  3. Red. Anmerkung: Die Tatsache, dass Malaise mindestens noch drei weitere Veröffentlichungen zum Thema 'Atlantis' folgen ließ (die letzte davon im Jahr 1973), zeigt allerdings deutlich, dass ihn dieses Thema bis ins hohe Alter hinein nicht mehr losließ, mit dem er sich offenbar erst Anfang der 1950er Jahre zu beschäftigen begann. Siehe von ihm auch: "Sjunket Land i Atlanten", in: Ymer, Stockholm, 1956; "Atlantis and the Ice Age", in: 'Atlantis', Nr. 14, S. 23-40, London, 1961; "Atlantis – A Verified Myth", Lidingö (Schweden) 1973
  4. Anmerkung: Da es dem Verfasser trotz langwieriger und umfangreicher Recherchen nicht möglich war, einen Inhaber der Rechte auf René Malaises Werke zu ermitteln, stellt er diese Arbeit der Öffentlichkeit bis auf weiteres als wissenschaftsgeschichtliche Dokumentation zu Lehr- und Studienzwecken zur Verfügung.

Bild-Quelle:

1) Bild-Archive Ferdinand Speidel und Atlantisforschung.de