Wissenschaftsmagazin wirft Frage nach Kometentreffer vor 12.800 Jahren auf
(rmh) Viele Gastautoren und Autoren dieses Portals (u.a. auch unser verstorbener langjährigen Chefredakteur Bernhard Beier und ich selbst) vertreten die Ansicht, dass der Untergang von Atlantis letztlich auf den Absturz eines großen Himmelskörpers (Asteroid oder Komet) zurückzuführen ist. Dabei wird meist an einen Zeitraum zwischen grob 10.500 Jahren v. Chr. bis etwa 8.500 vor Chr. gedacht. Wissenschaftler lehnten - die einstige Existenz von Atlantis sowieso - aber auch den Einsturz eines Himmelskörpers in diesem Zeitraum mehrheitlich ab.
Umso erstaunlicher ist es, dass das die Chefredakteurin des Wissenschaftsmagazins Scienexx, Nadja Podbregar, jüngst die Frage in den Raum wirft, ob es nicht doch einen Kometentreffer vor 12.800 Jahren gegeben habe. Als Grund für diese Frage wird auf Bohrkerne vom Meeresgrund verwiesen, die neue Indizien für einen Einschlag in der Jüngeren Dryaszeit lieferten.
Podbregar beschreibt den Einschlag eines Kometen in der jüngeren Dryaszeit als ein "umstrittenes Szenario" und verweist darauf, dass Forscher seit langem darüber streiten. Sie schreibt aber weiter:
"Jetzt liefern Bohrkerne vom Grund der Baffin Bay neue Indizien für einen solchen Einschlag. In ihnen fanden sich winzige Kügelchen aus erstarrter Gesteinsschmelze, Metallpartikel und Nanopartikel mit auffällig hohen Platin- und Iridiumgehalten. Dies bestätigt ähnliche Funde aus Eisbohrkernen und Festlandsedimenten – und könnte einige Anomalien der jüngeren Dryaszeit erklären."
Podbregar verweist darauf, dass vor ungefähr 11.800 Jahren sich die gesamte Nordhalbkuge abrupt um einige Grad Celsius abkühlte. Diese sog. Jüngere-Dryas-Kaltphase hielt ungefähr tausend Jahre an und warf Europa beinahe in bis Eiszeit zurück. Dies könnte - wie Podbrergar verlauten lässt - das Ende der Clovis-Kultur eingeläutet haben. Ausgedehnte Feuer könnten gleichzeitig ungefähr zehn Prozent der Landfläche in Brand gesetzt haben.
Aber: Die Ursache für dieses Dryas-Ereignis ist umstritten: Eine Theorie besagt beispielsweise, dass ein gewaltiger Schmelzwasserschub es verursachte, der die atlantische Umwälzströmung stocken ließ, wodurch der Wärmetransport nach Europa und Nordamerika abgeschnitten wurde. Eine weitere Theorie macht den Ausbruch des Laacher Vulkans in der Eifel oder alternativ einen anderen Vulkanausbruch für das Ereignis verantwortlich.
Inhaltsverzeichnis
Die Kometentheorie
Podbregar bringt nun eine dritte Theorie ins Spiel, die "besonders heiß diskutiert" werde:
"Die Dryas-Impakthypothese postuliert, dass die Erde vor rund 12.800 Jahren durch die Trümmer eines großen, zerfallenen Kometen flog".
Dies sagen jedenfalls Christopher Moore von der University of South Carolina und seine Kollegen. Sie sind der Meinung, dass dieser Kometenzerfall zahlreiche kleine Kometen - darunter der Enckesche Komet - und "Unmengen von Staub" an kleineren Trümmerbrocken hinterließ. "Die Passage der Erde durch diesen Trümmerstrom löste Einschläge und Explosionen aus und füllte die Erdatmosphäre mit Staub."
Bedingt durch dieses Szenario könnte sich das Klima abgekühlt haben, während die Einschläge gleichzeitig die polaren Eismassen destabilisierten und eine Schmelzwasserflut auslösten. Als Indizien für dieses Szenario werden Nanodiamanten, Schmelzkügelchen sowie die Anreicherung bestimmter Sedimente und Eisbohrkernen aus Nordamerika und Eurasien angeführt. Diese Nachweise gelten jedoch als umstritten, denn sie könnten auch durch menschliche Aktivitäten entstanden oder zumindest beeinflusst worden sein.
Neue Indizien
Die angesprochenen neuen Indizien, die das Team um Moore vorstellen, stammen vom Meeresgrund. Moore et al. haben vier Bohrkerne untersucht, die vom Grund der der zwischen Nordkanada und Grönland liegenden Baffin Bay gewonnen. Moore erklärt:
"Diese Probenstellen sind spannend, weil sie weit weg von anthropogener Kontamination liegen"
und:
"Außerdem waren die Bohrkerne sehr sauber geschichtet, was auf eine weitgehend ungestörte Stratigraphie hindeutet."
Moores Team analysierte die ungefähr 12.800 Jahre alte Schichten anhand verschiedener mikroskopischer und massenspektrometrischer Methoden und sie sollten fündig werden:
"Moore und sein Team identifizierten zum einen einen auffallend viele Metallstaub-Partikel, deren Eisen:Nickel- und Eisen:Chrom-Verhältnisse auf einen extraterrestrischen Ursprung hindeuten. 'Ihre Zusammensetzung zeigt eine exzellente Übereinstimmung mit Kometenmaterial', berichtet das Team. 'Im Gegensatz dazu gibt es wenig oder keine Überlappung mit terrestrischen Impaktiten, Mantelmaterial, vulkanischem Magma oder der Erdkruste.'Ihre Studie sei damit die erste, die solche Metallpartikel potenziell kometischen oder meteoritischen Ursprungs nachweise. ",
schreibt Podbregar.
Iridum-Kugeln und Schmelzkügelchen
Es gibt noch eine weitere Auffälligkeit in den Proben: Mikrosphärulen, das sind winzige Kügelchen aus geschmolzenem und wiedererstarrtem Gestein, denn ihre Isotopenwerte legen nahe, dass sie einige Prozent extraterrestrischen Materials enthalten, erklären Moore et al. Die Zusammensetzung der Kügelchen sowie weiterer Schmelzpartikel passe zudem weder zu Vulkanausbrüchen noch zu Feuern oder anderen Schmelzursachen, wird weiter erklärt.
Eher könnten derart gemischte Sphärulen (kleine Kügelchen aus Gestein, das bei Temperaturen über 2000 Grad geschmolzen und dann im freien Fall in der Luft erstarrt sein muss) dadurch entstehen, "dass ein Komet in der Erdatmosphäre explodiert und die Schockwellen aus geschmolzenem und verdampftem Materials die Erdoberfläche treffen." Zudem waren in den Bohrkernen Nanopartikel mit erhöhten Anteilen von Platin und Irdidium, was auch als mögliches Indiz für Material von einem Meteoriten- oder Kometeneinschlag gilt, zu finden.
Indizien, aber keine Beweise
Moore et al. erklären, dass die Funde des Teams weitere Indizien für die Dryas-Impakthypothese darstellen. Moore:
"Unsere Resultate aus der Baffin Bay sind die ersten Impakt-Indizien aus der jüngeren Dryaszeit, die aus marinen Bohrkernen stammen",
und:
"Unserer Meinung nach widerlegt dies die Vermutung, dass die Funde von Probenstellen an Land oder in flacheren Gewässern auf anthropogene Kontamination zurückgehen."
Wie Podberger erklärt, sind auch diese Ergebnisse jedoch kein endgültiger Beweis für einen Kometen als Ursache für die Kältephase des jüngeren Dryas, was auch Moore et al. einräumen:
"Um die Impakthypothese zu bestätigen, seien weitere Forschung und globale Vergleiche mit anderen Sedimentbohrkernen aus dem Meer und Seen nötig",
erklären sie. "Dies könnte auch klären, wie weitreichend die Folgen dieses Kometentreffers gewesen sind – sofern es ihn gab. ", schreibt Podberger.
"Die Lösung des Rätsels um die jüngere Dryas-Abkühlung könnte aber auch für die heutige Zeit relevant sein, meint Moore: 'Solche Impakt-Ereignisse – egal ob klein oder groß – stellen erhebliche Risiken für unsere moderne Zivilisation dar', erklärt der Forscher. Daher sei es wichtig, die Häufigkeit und Folgen vergangener Einschläge zu erforschen."
Keine Beweise, aber Indizien von Seiten der Wissenschaft - immerhin!
Quelle
Nadja Podberger:Gab es doch einen Kometentreffer vor 12.800 Jahren? 07.08.2025. Online auf https://www.scinexx.de/news/geowissen/gab-es-doch-einen-kometentreffer-vor-12-800-jahren/ nach:
PLOS One, 2025; doi: 10.1371/journal.pone.0328347
Bildquellen
Abb. 1: Bild von Adam Krypel auf Pixabay
Abb. 2: © USGS (Bildzitat)
Abb. 3: © Moore et al./ PLOS One, CC-by 4.0