Der große Krieg in Platons Atlantisbericht
Aussagen im Dialog Timaios
"Von deinen vor 9000 Jahren lebenden Mitbürgern nun will ich dir [d.i. Solon: d.Red.] ganz kurz die Gesetze und die schönste Heldentat, die von ihnen vollbracht ward, berichten" [1] [...] "Viele und große Heldentaten eurer Vaterstadt [d.i. Athen; d. Red.] finden sich also bei uns [in Ägypten; d.Red.] aufgezeichnet und erregen Bewunderung, vor allem aber zeichnet sich eine durch Größe und den dabei bewiesenen Heldenmut aus; denn unsere Aufzeichnungen berichten, einer wie großen Heeresmacht damals eunre Stadt Einhalt gebot, welche im Atlantischen Meere ihren Ausgangspunkt hatte und von außen her übermütig gegen ganz Europa und Asien heranzog. Damals war nämlich jenes Meer noch schiffbar, denn vor dem Eingang der, wie ihr sagt, Säulen des Herakles heißt, befand sich eine Insel größer als Asien und Libyen zusammengenommen, von welcher den damals Reisenden der Übergang zu den anderen Inseln und dem ganzen gegenüber liegenden Festland, an jenem wahren Meere, möglich war. Denn das Gebiet hier, welches innerhalb jenes Eingangs, von dem wir sprechen, liegt, erscheint nur als eine Bucht mit einer schmalen Einfahrt. Jenes aber muss wirklich als Meer und das es umgebende Land mit vollstem Recht als Festland bezeichnet werden.
Auf dieser Insel Atlantis also entstand eine große und bewundernswerte Macht von Königen, welche die ganze Insel beherrschten, sowie viele andere Inseln und Teile des Festlandes. Außerdem beherrschten diese Könige noch von den Ländern am Binnenmeer Libyen bis nach Ägypten und Europa bis nach Tyrrhenien. Diese ganze zur Einheit zusammengeballte Macht hatte einst den Plan, euer (der Griechen) und unser (der Ägypter) Land sowie überhaupt alles Land innerhalb der Meerenge durch einen einzigen Kriegszug in ihre Gewalt zu bringen. Das war denn, mein Solon, die Zeit, in der die Streitmacht eurer Stadt der ganzen Welt eine glänzende Probe ihrer Tüchtigkeit und Kraft gab; denn allen überlegen an Beherztheit und Kriegskunst stand sie zuerst an der Spitze der Hellenen, dann aber, als die anderen abfielen, war sie gezwungen, allein zu stehen, sie geriet in äußerste Bedrängnis, gleichwohl errang sie den Sieg über die Angreifer und errichtete ein Siegeszeichen. Sie verhinderte so, daß die noch nicht Unterjochten unterjocht wurden. Uns übrigen aber, die wir innerhalb der Säulen des Herakles wohnten, half sie großzügig zur Befreiung. Später aber eine Zeit gewaltigster Erdbeben und Meeresüberschwemmungen herein, und es kamen ein Tag und eine Nacht, in der die Masse eurer (der Athener) Krieger von der Erde verschlungen wurde, ebenso versank die Insel Atlantis im Meer und wurde den Augen entzogen..." [2]
Anmerkungen
([[]]) Platons Äußerungen über den Krieg der Atlantier gegen die Völker des Mittelmeer-Raums werfen sicherlich - wie der Atlantisbericht insgesamt - mehr Fragen auf als sie beantworten. Immerhin wird hier einmal mehr deutlich, dass er die Geschichte von Atlantis nur sehr fragmentarisch wiedergab - entweder, weil es ihm selber an umfassenden Informationen zu ihr mangelte, oder aber weil Details aus seiner Sicht überflüssig waren, ging es ihm doch letztlich vor allem darum, einerseits die Zyklizität der Menschheits- und Zivilisationsgeschichte an einem Konkreten Beispiel zu belegen, andererseits in diesem Kontext die Überlegenheit Athens bzw. Ur-Athens über die bereits 'dekadent' gewordenen Atlantier hervorzuheben. Jedenfalls zeigt die oben wiedergegebene 'Kriegsberichterstattung' - zumindest aus Sicht von Anhängern der Historizitäts-These in Sachen Atlantis - deutlich an, dass es schon lange vor eine gen Osten, in den Mittelmeer-Raum hinein gerichtete atlantische Expansion gegeben haben muss, bevor dieser Krieg losbrach.
Dass die im Timaios geschilderte atlantische Invasion auch als Kriteriengeber zur Atlantis-Lokalisierung dienen kann, hob unlängst der irische Atlantologie-Enzxklopädist Tony O’Connell in seinem e-Book "Joining the Dots" hervor. Darin bespricht er u.a., wie er selber es formuliert, "im Detail die offensichtlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Invasion. Offensichtlich benötigen Invasoren eine mächtige Armee, militärische Geheimdienste (Spione) und die Fähigkeit, die Versorgungslinien so kurz wie möglich zu halten. Letzteres verlangt, dass der militärische Expansionismus auf benachbarte Gebiete gerichtet ist, was durch die Art und Weise, wie sich alle alten Reiche entwickelten, bestätigt wird. [...] Zumindest einige von Platos Identifikatoren für Atlantis können mit den meisten vorgeschlagenen Orten verknüpft werden, aber wenn diese sich nicht in Reichweite des antiken Athen befanden, können sie nicht Atlantis sein."
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Anmerkungen und Quellen
Fußnoten:
- ↑ Quelle: Platon, Timaios 23e; Übersetzung ins Deutsche von Jürgen Spanuth, in: Derselbe, "Die Atlanter - Volk aus dem Bernsteinland", Tübingen, 1976, S. 450
- ↑ Quelle: Platon, Timaios 24d-25d; Übersetzung ins Deutsche von Jürgen Spanuth, in: Derselbe, "Die Atlanter - Volk aus dem Bernsteinland", Tübingen, 1976, S. 451-452
Bild-Quelle:
- Platon und seine Schüler, Darstellung von Carl Wahlbom; nach: SCADEMIC.ru, unter: Platonische Liebe