Marcellus
Ein mysteriöser Autor und sein verschollenes Werk
(red) Zu den 'festen', aber dennoch kaum greifbaren Größen in der Literatur zur Atlantisforschung gehört ein antiker Autor namens Marcellus, auf den sich bereits der Neoplatoniker Proklos berief (ad Plat. Tim. p. 55 / 1.177.10-21), um die Historizität von Platons Atlantis zu belegen.
Proklos (er lebte von 412 bis 485 nach der Zeitenwende) gab dazu einen kurzen Auszug aus Marcellus´ Werk namens "Äthiopische Geschichte" - Aithiopica (gr.: Αἰθιοπικά), alt. Schreibweisen: Æthiopica bzw. Aethiopica [1] wieder. In seiner Nacherzählung heißt es (nach Andrew Collins) zur vormaligen Existenz von Atlantis, diese hätten "... bestimmte Historiker [bewiesen], die sich mit dem äußeren Meer befasst hatten.
Nach deren Aussage gab es in jenem Meer seinerzeit sieben Inseln, die Proserpine geweiht waren, und drei andere Inseln immenser Ausdehnung, von denen eine Pluto geweiht war, eine Ammon und die mittlere Neptun (dem römischen Poseidon). Letztere war tausend Stadien (184 Kilometer) groß. Sie (die Historiker) fügen auch hinzu, die Bewohner (dieser Insel) bewahrten von ihren Vorfahren das Gedenken an die atlantische Insel, die dort existiert hat und wahrhaft erstaunlich groß gewesen ist; die für viele Zeitalter die Herrschaft über alle Inseln des Atlantischen Meeres hatte und ebenfalls Neptun geweiht war." [2]
Natürlich wäre es höchst interessant, dieses Fragment im Kontext des Gesamtwerks betrachten zu können - z.B. um festzustellen, in welchen Zusammenhang Atlantis dort mit Äthiopien gebracht wird -, doch leider ist die Aethiopica, wie so viele andere Schriften des Altertums, verloren gegangen. Auch wer ihr Autor Marcellus war, ist bis heute unklar und umstritten. Nikolai Zhirov bemerkte dazu: "Nichts ist darüber bekannt, wann Marcellus gelebt hat. Die meisten Historiker meinen, dass er im 1. Jahrhundert v.Chr. lebte, aber A. Bescherelle und G. Devars erklären in ihrem 'dictionnaire' [S. 163], dass sie der Meinung sind, Marcellus habe lange vor Plato über Atlantis geschrieben." [3]
Lyon Sprague de Camp bezeichnete Marcellus als "Geographen" und ordnete ihn dem ersten vorchristlichen Jahrhundert zu. [4] Andrew Collins schließt sich dem offenbar an, indem er vorsichtig schreibt: "Über Marcellus ist nicht viel mehr bekannt, als dass er ein Geograph der römischen Welt gewesen zu sein und um 100 v.Chr. gelebt zu haben scheint." [5] Der deutsche Atlantisforscher Peter Nowak vermutet dagegen, besagter Marcellus sei mit Proklos´ Zeitgenossen Nonius Marcellus, einem spätrömischen Grammatiker und Lexikographen, identisch gewesen. [6]
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Anmerkungen und Quellen
Fußnoten:
- ↑ Anmerkung: Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Werk des spätantiken Dichters Heliodorus von Emesa!
- ↑ Quelle: Andrew Collins, "Neue Beweise für Atlantis", Scherz Verl., 2001 (ISBN 9783502151388), S. 111 --- Anmerkung: Zum Vergleich hier noch eine englischsprachige Übersetzung des Marcellus-Fragments bei Proklos: "That such and so great an island once existed, is evinced by those who have composed histories of things relative to the external sea; for they relate that in their times there were seven islands in the Atlantic sacred to Proserpine: and besides these, three others of an immense magnitude, one of which was sacred to Pluto, another to Ammon, and another, which is the middle of these, and is of a thousand stadia, to Neptune; and besides this, that the inhabitants of this last island preserved the memory of the prodigious magnitude of the Atlantic island, as related by their ancestors, and of its governing for many periods all the islands in the Atlantic sea." Quelle: Isaac Preston Cory, "Corey's Ancient Fragments of The Phoenician, Carthaginian, Babylonian, Egyptian, and other authors", London (Reeves), 1876; zit. nach: J. Colavito, "GÓMARA ON ATLANTIS" (abgerufen: 8. April 2015)
- ↑ Quelle: Nikolai Zhirov, "Atlantis: Atlantology: Basic Problems", The Minerva Group, Inc., 2001, S. 40
- ↑ Quelle: Lyon Sprague de Camp, "Lost continents: the Atlantis theme in history, science, and literature", Courier Corporation, 2012, S. 18
- ↑ Andrew Collins, op. cit., S. 110
- ↑ Quelle: Peter Nowak, "Sie besiegten Atlantis - Die Geschichte der Pelasger aus antiken Quellen dargestellt", BoD – Books on Demand, 2012, S. 241
Bild-Quelle:
- Jean-Pol GRANDMONT bei Wikimedia Commons, unter: File:0 Sénèque - Musée du Prado - Cat. 144 - (2).JPG (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)