Dilmun

Allgemeine Informationen

Abb. 1 Eine Satellitenaufnahme der Insel Bahrein, der derzeit einzigen schulwissenschaftlichen Kandidatin für eine Lokalisierung des sagenhaften, aber historischen Landes Dilmun

(red) Dilmun (sumerisch kur.dilmun.na; akkadisch Tilmun) ist der Name eines legendären, als 'paradiesisch' beschriebenen Landes, das vom 3. Jahrtausend v.d.Z. an in altmesopotamischen Texten Erwähnung findet. [1] [2] An der Historizität Dilmuns kann kein Zweifel bestehen. Allgemein wird wird davon ausgegangen, dass es sich im Gebiet des Persischer Golfs befunden habe, wobei sich inzwischen seine Gleichsetzung mit der Insel Bahrein (Abb. 1) weitgehend durchgesetzt hat. [3] Frühere Lokalisierungs-Ansätze, wie jener von Teresa Howard-Carter, die 1987 vorschlug, bei Dilmun könne es sich um einen noch nicht identifizierten Tell in der Nähe des Schatt al-Arab zwischen den Städten al-Qurna und Basra im heutigen Irak handeln [4], werden in der universitären Altertumsforschung offenbar nicht mehr verfolgt. Was Dilmun im geographisch weiter gefassten Sinn betrifft, so heißt es in der englischsprachigen Wikipedia: "Der wissenschftliche Konsens ist, dass Dilmun Bahrain, Kuwait, [5], Katar und die Küstenregionen der östlichen Provinzen Saudi-Arabiens umfasste [6]." [7] [8]

Zu den altmesopotamischen Texten, in welchen von Dilmun die Rede ist, gehört die sumerische Sintflut-Erzählung, nach welcher Ziusudra, laut sumerischer Königsliste der letzte vorsintflutliche König von Schurupag, nach der Katastrophe in Dilmun landete. [9] Weiter erfahren wir in der Wikipedia auf Deutsch dazu: "Sargon von Akkad (etwa 2356 bis 2300 v. Chr.) gibt an, dass Schiffe aus Dilmun seinen Hafen anliefen. Auch das Reich Elam, das den Handel mit Zinn kontrollierte, pflegte engen Kontakt mit Dilmun.

Abb. 2 Zeichnung einer Tontafel (BE XVII 88) mit Korresondenz zwischen Ilī-ippašra, einem Gouverneur von Dilmun, und Enlil-kidinni, Gouverneur von Nippur, ca. 1350 v.Chr.

Im 14. Jahrhundert v. Chr. kontrollierten die Kassiten das südliche Mesopotamien und setzten einen Statthalter auf der Insel ein. Aus zwei Texten aus Nippur geht hervor, dass Ili-ippašra der kassitische Statthalter in Dilmun war. Er schickte Briefe an Illilija oder Enlil-kidinni, den Statthalter von Nippur unter Burna-buriaš II. und Kurigalzu II. [10] Ein dritter Brief (Abb. 2) ist sehr schlecht erhalten. [11] Ein Siegel im Britischen Museum gehörte Uballissu-Marduk, Urenkel des Usiananuri šakkanakku von Dilmun und belegt ebenfalls die kassitische Herrschaft über die Insel [12], ist aber nicht genauer zeitlich einzuordnen.

Agum, Sohn des Kaštiliaš (also Agum III.), inspizierte nach der Chronik der frühen Könige seine Armee und marschierte gegen das >Seeland<. Darunter wird gewöhnlich das südliche Mesopotamien verstanden, aber eine Keilschrifttafel aus Qal'at al-Bahrain datiert aus dem 4. palu des kassitischen Herrschers Agum. Meist wird angenommen, dass sie Agum III. zuzuweisen ist. [13] Sie könnte also auf eine Eroberung von Bahrain hinweisen. Im 8. Jahrhundert v. Chr. wird Dilmun als Vasall des assyrischen Reichs genannt, im 6. Jahrhundert v. Chr. war es Teil des Neubabylonischen Reichs. Um 800 v. Chr. soll Obiri laut assyrischen Keilschrifttexten in seinem mächtigen Palast regiert haben." [14]

Dilmun als Garten Eden

Abb. 3 Der deutsche Orientalist Eduard Glaser (1855-1908) war vermutlich der erste, der Dilmun als jenen Ort interpretierte, an dem sich einst der biblische 'Garten Eden befand.

Das - nach wie vor - in so mancher Hinsicht höchst rätselhafte Dilmun bzw. die Frage, welche Rolle dieses einst bedeutende Land in der Menschheits- und Zivilisationsgeschichte gespielt hat, führte auch zu - auf den ersten blick - phantastisch wirkenden Überlegungen. Eine davon ist die These, es könne sich bei ihm um jenen im Wortsinn paradiesischen Ort handeln, der im Alten Testament als Garten Eden beschriebene ist; jener Platz, wo einst die 'ersten Menschen' gelebt haben sollen. Zu dieser Vorstellung, die noch immer viele Menschen fasziniert [15], heißt es kurz gefasst in der englischsprachigen Wikipedia:

"Im Jahr 1922 schlug Eduard Glaser (Abb. 3) vor, dass der Garten Eden in Ost-Arabien im [Bereich] der Dilmun-Zivilisation lag. [16] Der Wissenschaftler Juris Zarins glaubt ebenfalls, dass der Garten Eden in Dilmun, [und zwar] an der Spitze des Persischen Golfs lag, wo der Tigris und der Euphrat ins Meer münden, wobei er für seine Erforschung dieses Gebiets Informationen aus vielen verschiedenen Quellen nutzt, darunter Landsat-Bilder aus dem Weltraum." Seiner Theorie folgend, "würde der [Fluss] Gihon der Bibel mit dem Kārun im Iran korrespondieren, und der Pischon würde dem Wadi Batin-Flusssystem entsprechen, das einst den jetzt trockenen, aber einst recht fruchtbaren zentralen Teil der Arabischen Halbinsel entwässerte." [17] [18]

Unterstützung aus seinem Kollegenkreis findet Zarins, der an der Missouri State University tätig ist, mit seinen diesbezüglichen Befunden allerdings kaum. Auf noch weniger Gegenliebe in der scientific community stoßen allerdings diejenigen, die Dilmun mit einem anderen geheimnisvollen Ort der Vorzeit in Verbindung bringen, nämlich mit Atlantis.

Dilmun und Atlantis

Abb. 4 Das Front-Cover von Radek Brychtas Buch aus dem Jahr 2001, in dem der tschechische Historiker Atlantis und auch Dilmun mit der altindischen Metropole Dholavira gleichsetzt

Zu diesem Themenbereich erfahren wir - einmal mehr - alles Wesentliche in Tony O’Connells Atlantipedia: "Vor dreißig Jahren schlug George Michanowsky vor, dass die sumerische Inschrift NI-DUK-KI dem akkadischen >Dilmun< [Tilmun; d.Ü.] entsprach und sich wahrscheinlich auf Bahrein bezog. [19] Er ging noch weiter und setzte Dilmun mit Atlantis gleich, von dem er behauptete, es sei überflutet worden, als der Meeresspiegel infolge der globalen Erwärmung anstieg, die durch eine Supernova verursacht wurde, welche vor 7000 Jahren von den Sumerern beobachtet wurde.

Im Jahr 2001 veröffentlichte Radek Brychta jedoch ein Buch (Abb. 4) [20], das dies widerlegt. Stattdessen identifiziert er Atlantis mit der Induskultur-Stadt Dholavira und fährt fort, sich überzeugend für ihre Akzeptanz als die ursprüngliche, hinter Platos Atlantiserzählung stehende Inspiration einzusetzen. Er gibt an, die Stadt sei am Ende des 3. oder am Anfang des 2. Jahrtausends v.Chr aufgrund von Naturkatastrophen dahingeschwunden. Brychta merkt an, wie Überschwemmungen Sümpfe gebildet haben, welche den Zugang nach Dholavira behinderten. Dies erinnere an Platos Untiefen, welche dort die Schiffahrt verhinderten, wo Atlantis versunken war. Brychta umreißt die Kontakte zwischen der Indus-Kultur und Sumer sowie zwischen Sumer und Ägypten, und er schlägt dies als den Übertragungsweg der Geschichte vom Untergang Dholaviras vor, die schließlich Solon berichtet wurde. [...] Brychtas Theorie wird von Yashwant Koak unterstützt, der in Indien ein Buch über sein Atlantis-Konzept veröffentlichen will. Koak gibt an, dass Untersuchungen bei Dholavira eine Übereinstimmung von 92 Prozent mit Platos Angaben über Atlantis ergaben." [21]

Halten wir abschließen zwei Punkte fest: Zum einen sollte hervorgehoben werden, dass Radek Brychta keineswegs ein haltloser Phantast ist, sondern ein studierter Historiker mit profunder Kenntnis der Materie. Einen Eindruck von der Qualität seiner Argumentation vermittelt sein ausführliches Papier "Die Entdeckung von Platons Atlantis" (Orig: "The Discovery of Plato's Atlantis"), das bei Atlantisforschung.de online nachzulesen ist. Zum anderen ist zu betonen, dass mit seiner Atlantis-Hypothese schlussendlich auch eine ernst zu nehmende Alterntive zur Bahrein-Lokalisierung von Dilmun vorliegt, auch wenn der fachwissenschaftliche Mainstream dies seit Jahren geflissentlich zu ignorieren scheint.


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe z.B.: Sylvia Smith, "Bahrain digs unveil one of oldest civilizations", 21. Mai 2013, bei BBC News (abgerufen: 23. Dezember 2017)
  2. Siehe auch: "Qal'at al-Bahrain – Ancient Harbour and Capital of Dilmun" (undatiert), UNESCO (abgerufen: 23. Dezember 2017)
  3. Anmerkung: Über die 'paradiesischen' Zustände auf Bahrein / Dilmun während protohistorischer Zeiten heißt es bei der deutschsprachigen Wikipedia: "Während der Bronzezeit stieg die Insel [...] wegen des in der Region einmaligen Vorkommens von Süßwasser aus heute versiegten artesischen Quellen zu einem bedeutenden Handelsplatz auf. Die strategisch günstige Lage am Seehandelsweg zwischen Mesopotamien und dem Indus-Tal beförderte Wohlstand und Bedeutung von Dilmun zusätzlich." Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter: "Dilmun"; mit Verweis auf: Randolf Rausch, Heiko Dirks und Katlen Trautmann, "Die artesischen Quellen von Dilmun" , in: Spektrum der Wissenschaft, 23. Mai 2008, S. 62–69 (Links abgerufen: 23. Dezember 2017)
  4. Siehe: Theresa Howard-Carter (1987), "Dilmun: At Sea or Not at Sea? A Review Article", in: Journal of Cuneiform Studies 39 (1): S. 54–117
  5. Siehe: Jean-Jacques Glassner, "The Invention of Cuneiform: Writing in Sumer", 1990 (HU Press, 2003), S. 7
  6. Siehe: M. A. Nayeem, "Prehistory and Protohistory of the Arabian Peninsula: Bahrain", Hyderabad Publishers, 1990, S. 32
  7. Quelle: Wikipedia - The Free Encyclopedia, unter: "Dilmun" (abgerufen: 23. Dezember 2017)
  8. Red. Anmerkung: Allerdings gebe es, wie es im selben Lemma an anderer Stelle heißt, in der Golfregion bisher keine entsprechenden archäologischen Funde von Siedlungen aus der Zeit von 3300 v. Chr. (Uruk IV) bis 556 v. Chr. (Neubabylonische Zeit), während welcher Dilmun in alten Texten erscheint. (Quelle; abgerufen: 23. Dezember 2017)
  9. Siehe: Irving L. Finkel "The ark before Noah: decoding the story of the flood London, United Kingdom, ISBN 978-1-4447-5705-7
  10. Siehe: Albrecht Götze, "The texts No. 615 and 641 of the Istanbul Museum", in: Journal of Cuneiform Studies 6, 1952, S. 142–145
  11. Siehe: Tontafel BE XVII 88 (Abb. 2)
  12. Siehe: J. E. Reade, Commerce or Conquest: Variations in the Mesopotamia-Dilmun Relationship, in: H. A. Al Khalifa und M. Rice (Hrsg.), "Bahrain through the Ages: The Archaeology", London 1986), fig. 137
  13. Siehe: D. T. Potts, "Elamites and Kassites in the Persian Gulf", in: Journal of Near Eastern Studies 65/2, 2006, S. 116
  14. Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie, unter "Dilmun" (abgerufen 24. Dezember 2017)
  15. Siehe z.B.: Stein Morten Lund, "Garden of Eden, Dilmun, Bahrain - Finally been located?", 5. März 2009, bei travelexplorations.com (abgerufen: 24. Dezember 2017)
  16. Siehe: W.F. Albright (Oktober 1922), "The Location of the Garden of Eden". in: The American Journal of Semitic Languages and Literatures 39 (1): S. 15–31. doi:10.1086/369964
  17. Siehe: Dora Jane Hamblin (Mai 1987). "Has the Garden of Eden been located at last?", in: Smithsonian Magazine 18 (2) (online als PDF-Datei bei archive.org; abgerufen: 24. Dezember 2017
  18. Quelle: Wikipedia - The Free Encyclopedia, unter: "Dilmun" (abgerufen: 23. Dezember 2017; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung .de)
  19. Siehe: George Michanowsky, "The Once and Future Star", Hawthorn Books Limited; sowie bei: Sphere Books, 1977; und als erweiterte TB-Ausgabe: Ders., "The Once and Future Star: The Mysterious Vela X Supernova and the Origin of Civilizations", Barnes and Noble, NY, 1979.
  20. Siehe: Radek Brychta, "Objevení Platónovy Atlantidy" (Die Entdeckung von Platos Atlantis), Hradec Králové (Königgrätz), 2001
  21. Quelle: Tony O’Connell, "Dilmun", 7. Juni 2010, bei Atlantipedia.ie (abgerufen: 24. Dezember 2017; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung .de)

Bild-Quellen:

1) NASA bei Wikimedia Commons, unter: File:Bahrain, astronaut photograph.jpg
2) BigEars42 (Upoloader) bei Wikimedia Commons, unter: File:BE XVII 88.jpg
3) Schreiber (Uploader) bei Wikimedia Commons, unter: File:Eduard Glaser.jpg
4) Droodkin (Uploader) bei Wikimedia Commons, unter: File:Danish archaeology expedition in Bahrain Fort.jpg