'Weiße' Ureinwohner in Nordamerika? (II)

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"Kaukasoide" Native Americans

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Abb. 2 Der Kopf des Ken- newick Man, rekonstruiert von Jim Chatters und Tho- mas McClelland.

Boyce Rensberger, ein Redakteur der Washington Post, schrieb dort 1997 zu diesen Funden: "In den westlichen Staaten und weit im Osten bis nach Minnesota freigelegte Skelette fordern die traditionelle Sichtweise heraus, dass die frühesten Amerikaner alle den heutigen Asiaten ähnelten. Die Schädel der Skelette weisen Merkmale auf, die denjenigen von Europäern ähneln, was nahelegt, dass es unter den ersten Menschen, die vor mehr als 9000 Jahren in die Neue Welt immigrierten, auch Kaukasoide gab." (+1)

Halten wir dazu kurz fest, dass Amerika vermutlich schon viele Jahrtausende vor diesem Zeitpunkt von frühen Menschen besiedelt wurde, wie zahlreiche Funde der vergangenen Jahrzehnte gezeigt haben (siehe dazu: Farewell, Clovis - Vom langsamen Sterben eines Paradigma). Allerdings ist dies eine Feststellung, die konservativen Anthropologen womöglich noch schwerer im Magen liegt als die Skelette nicht-indianischer Ur-Amerikaner, über die es bei Rensberger weiter heißt: "Anthropologen haben seit Jahren von solchen Knochen gewusst, ha-ben ihre Signifikanz aber nicht voll anerkannt, bis sie sie während der vergangenen Monate neubewertet wurden.

Die neuen Analysen wurden im letzten Sommer durch die Entdeckung der neuesten Beweisstücks der Sammlung - das ungewöhnlich komplette Skelett eines >kaukasoiden< Mannes - veranlasst, der vor etwa 9300 Jahren im heutigen, Kennewick, Washington, starb. (Abb. 2) >Es ist eine aufregende Zeit und ich denke, wir werden einige wirkliche Veränderungen in der Geschichte der Besiedlung Nordamerikas erleben<, sagte Dennis Stanford, eine Autorität in der Menschheitsgeschichte dieses Kontinents beim National Museum of Natural History der Smith-sonian Institution. [...] D. Gentry Steele, ein Anthropologe an der Texas A&M University, spe-kuliert, dass Menschen beider Rassen in separaten Wellen nach Amerika kamen, möglicher-weise Jahrtausende voneinander getrennt. Wo sie aufeinander trafen [praktizierten] sie, wie er annimmt, >make love, not war< und somit könnten beide Populationen Vorfahren einiger oder aller heutigen nativen Amerikaner sein." (+2)

Stanford´s hoffnungsvolle Erwartung "wirklicher Veränderungen" in der amerikanischen Menschheits-Geschichtsforschung war möglicherweise noch naiver als Steele´s 'Harmonie-Hypothese'. Letztere erscheint zumindest romantisierend, wenn wir die Spuren der entsetzlichen Vernichtungs-Kriege betrachten, die auch im präkoklumbischen Amerika zwischen unterschied-lichen Ethnien getobt haben. (siehe dazu z.B.: Die Türme des Schweigens) Diese Spuren - sowohl archäologischer als auch mythologischer Natur - deuten vielmehr ein komplexes Szenario an, zu dem sowohl Verschmelzung verschiedener Völker als auch Genozide gehört zu haben scheinen.

Die Stanford´sche Vermutung jedenfalls, das Establishment der US-amerikanischen Anthropologie und Archäologie sei möglicherweise durch nicht einmal ein halbes Dutzend Skelettfunde zu einem grundlegenden Paradigmenwechsel zu bewegen, muss schon deshalb erstaunen, da sie nicht von einem jungen, enthusiastischen Anthropologie-Studenten stammt, sondern von jemand, der zu eben jenem Establishment gehört - und ausgerechnet bei der Smithsonian Institution arbeitet, das nicht gerade als Hort wissenschaftlicher Erneuerung und radikaler Kritik am akademischen Status quo bekannt ist.

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Abb. 3 "Typisch indiani- sche" Ur-Amerikaner sind die einzigen Präkolumbier, sie sich das wissenschaft- liche Establishment in den USA vorstellen kann. Die Tatsachen sprechen aller- dings eine andere Sprache!

Immerhin schien einige Bewegung in das verknöcherte Bild der endglazialen Kolonisation Amerikas zu kommen, das Fachwissenschaftler seit Jahrzehnten hochgehalten haben: "Bisher dachten die meisten Anthropologen, dass die frühesten Menschen in Nord- und Südamerika alle den heutigen asiatischen Völkern, volkstümlich Mongolide genannt, glichen. Man glaubt, die prähistorischen Amerikaner seien von Sibirien nach Alaska migriert und dann Richtung Süden verteilt, vermutlich während der Eiszeit, als die Meeresspiegel hunderte von Fuß tiefer als heute lagen, wobei sie eine >Land-Brücke< freilegten.

Jetzt glauben viele Anthropologen jedenfalls, dass die frühe Kolonisation Amerikas ein komplexerer Prozess war, der nicht nur Mongolide, sondern auch Kaukasoide mit einbezog, vermutlich in separaten Migrationen. Einige Völker der heutigen Native Americans ähneln mehr den Menschen aus Asien, andere sind eher europäisch. Diese Mixtur ist zum großen Teil ein das Produkt von Mischehen in jüngeren Jahrhunderten, mag aber teilweise auch tausende von Jahren zurückdatieren." (+3)

Mit dieser Feststellung spricht Rensberger ein 'großes Wort gelassen aus'. Entspricht doch die Vermutung langzeitiger, wiederholter Vermischungen unterschiedlicher Ethnien in Amerika weitaus eher dem bereits erwähnten, unter Fachwissenschaftlern verpönten, Konzept des Diffusionismus als der gängigen Vorstellung der völlig isolierten Entwicklung einer einzigen Gruppe (mongolider) Einwanderer. Dieser "Isolationismus" stellt jedoch, neben dem Beringstraßen- und Clovis-Paradigma eine essentielle Grund-Position akademischer Menschheits-Geschichtsforschung in den USA dar. Sollte der anthropologisch/archäologische Mainstream sich plötzlich eines besseren besonnen haben?

Jedenfalls könnten der Anthropologie bei einer derartigen Interpretation der problematischen Knochenfunde noch andere paradigmatische 'Erdbeben' bevorstehen. Dies gilt z.B. für die Frage nach den Migrations-Wegen. Gelangten die urzeitlichen Einwohner Amerikas - oder Teile von ihnen - tatsächlich "zu Fuß" dorthin, oder möglicherweise auch auf dem Seeweg? Gibt es etwa naheliegende Verbindungen zwischen den paläolithischen Anrainern des südchinesischen Meers und den kaukasoiden Präkolumbiern?


Fortsetzung:

'Weiße' Ureinwohner in Nordamerika? (III) - Die Ainu: Ur-'Europäer' aus Asien in Amerika?


Anmerkungen und Quellen

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Bild-Quellen

(2) http://www.pbs.org/wgbh/nova/first/kennewick.html

(3) Links: http://www.cast.uark.edu/~shelley/images/toltec/indiansm.gif