"Sie finden doch da unten nicht wirklich etwas?"

Version vom 22. April 2009, 22:47 Uhr von Bb (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: ===Die unerwünschten Entdeckungen des Thomas Lee=== von [http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Baigent Michael Baigent] [[Bild:Mantoulin.jpg|thumb|'''Abb. 1''' Diese ...)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Die unerwünschten Entdeckungen des Thomas Lee

von Michael Baigent

Abb. 1 Diese stratigraphi- sche Skizze einer Fundstät- te bei Sheguiandah auf der Manitoulin-Insel, die ein heutiger Archäologe ins Internet gesetzt hat, ist für ihn ungefährlich: Die gezeigte Stätte ist lediglich etwa 10 000 Jahre alt.

Der Archäologe Thomas Lee hatte bereits viele Jahre als Kurator am ka- nadischen Nationalmuseum von Toronto gearbeitet, als er im Sommer 1951 archäologische Forschungen in Ontario durchführte. Während er die Manitoulin-Insel im Huronsee untersuchte, entdeckte er an ihrer Ostseite nahe dem heutigen Dorf Sheguiandah Hinweise auf eine frühere menschliche Siedlung. Dort begann er mit Grabungen. (+1)

Im Verlauf seiner archäologischen Feldforschung stieß Lee auf Dutzende von Steinwerkzeugen, die von Menschen mit fortschrittlichen Fertigkeiten zu stammen schienen. Fasziniert von diesen Funden, setzte er seine sorgfältigen Grabungen bis 1955 fort. Das Problem dabei war,daß die aufgetauchten Werkzeuge wesentlich älter zu sein schienen als 12 000 Jahre. Um sicherzu- gehen, daß seine Datierung der Funde stimmte, suchte Lee den Rat verschie- dener Geologen, die die entsprechenden Ablagerungen mit der bekannten Geschichte der nordamerikanischen Eiszeit in Verbindung brachten.

Sie kamen zu dem Schluß, daß sämtliche Werkzeuge mindestens 65 000 Jahre alt waren, vielleicht aber auch viel älter - die Rede war von bis zu 125000 Jahren (+2). 1954 unternahmen 40 bis 50 Geologen Exkursionen zum Fundort und stimmten mit dieser geologischen Analyse der Gesteins- schicht überein. (+3) Damit nicht genug; Im Verlauf der Jahre haben mehr als einhundert Geologen die Stätte während der Grabungen besucht; sie alle hatten reichlich Gelegenheit, die Schicht und die darin entdeckten Objekte zu begutachten. Doch trotz aller geologischen Übereinstimmung bezüglich ihrer Datierung stellten die Funde für die landläufige Auffassung über das Alter des Menschen in Nordamerika ein unlösbares Problem dar - sie waren ganz einfach inakzeptabel.

Im Jahr 1970 beschäftigte sich John Sanford, Geologe an der Wayne State University von Detroit, erneut mit allen von Lee und anderen in Sheguiandah gesammelten Belegen. Er kam zu folgendem Schluß: "Die stratigraphische Sequenz der Sedimente und der in jeder Schicht enthaltenen Artefakte ist definitiv und unzweideutig. Sorgfältige Grabungen und Untersuchungen der Sedimente und der vorgefundenen Artefakte lassen keinen Raum für Zweifel bezüglich der Stratigraphie." (+4)

Was die Interpretation der Funde betrifft, meinte Sanford, sie stammten "sicherlich eher aus der frühen als aus der späten Wisconsin-Zeit". (+5) Dies ist die geologische Bezeichnung für die letzte von vier großen Eiszeiten, die Nordamerika erlebte. Die 'Wisconsin'-Periode liegt ungefähr 80 000 Jahre zurück. Sanford schreibt allerdings auch, die aus den tiefsten Schichten stammenden Artefakte datierten wahrscheinlich aus dem Endstadium der vorangehenden Eiszeit, der 'Sangamon'-Periode, die vor ungefähr 100 000 Jahren zu Ende ging. (+6)

Lees Entdeckungen waren also jenen Wissenschaftlern, deren Karriere eng mit der herkömmlichen Theorie verbunden war, der Mensch sei erstmals über die eisfreie Bering-Brücke nach Amerika gekommen. Lee selbst erzählte folgende Episode: "Und hatte nicht ein prominenter Anthropologe, der den Fundort besichtigte, tatsächlich ungläubig ausgerufen: >Sie finden doch da unten nicht wirklich etwas?< Und ersuchte er mich nicht, nachdem er vom Vorarbeiter zu hören bekommen hatte: >Verdammich, wir und nichts finden! Kommen Sie runter und überzeugen sie sich selbst!<, alles zu vergessen, was in den glazialen Ablagerungen zu finden war, und mich statt dessen auf die jüngeren, darüberliegenden Materialien zu konzentrieren?" (+7)

Als Folge der Weigerung Lees, bei einer derartigen Farce mitzuwirken, spielten seine Gegner ein gnadenloses Spiel. Zum einen sorgten sie dafür, daß Lee keine Gelegenheit zu Publikationen mehr erhielt. Zum anderen nutzte eine Anzahl bekannter Fachleute Lees Ohnmacht, sich in gedruckter Form zu äußern, dazu, seine Entdeckungen auf krasse Weise falsch darzustellen, wodurch sowohl sein Ruf als Wissenschaftler als auch seine Funde diskreditiert wurden. Und schließlich verschwand ein großer Teil der von ihm entdeckten Artefakte in den Eingeweiden des kanadischen Nationalmuseums, wo man sie vergaß." (+8)

Ursprünglich besaß Lee allerdings die Unterstützung des Direktors des Nationalmuseums, Jaques Rousseau, der sich weigerte, ihn fallenzulassen. Da er sogar eine Monographie über das Thema erscheinen lassen wollte, geriet er selbst unter Druck und wurde umgehend ersetzt. Auch Lee verlor seine Stellung am Museum und Sheguiandah wurde von den anderen Archäologen endgültig verächtlich als "Unstätte" abgetan. Als endgültige Ungerechtigkeit gegenüber Lee und seinen Entdeckungen wurde der Fundort schließlich in eine Touristenattraktion verwandelt.

Durch ein derart zynisches Verhalten können wichtige Indizien leicht an den Rand gedrängt oder vollständig beseitigt werden. In diesem Fall wurde alles getan, um die am Fundort aufgetauchten Fakten zu unterdrücken und zu diskreditieren.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Michael Baigent © wurde seinem Buch "Das Rätsel der Sphinx" entnommen, das 2002 als vollständige Taschenbuchausgabe bei der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., erschienen ist. (Übersetzung aus dem Englischen von Bernhard Kleinschmidt)

(+1) Quelle: Lee, "Sheguiandah in Retrospect", S. 28

(+2) Anmerkung d. A.: Während der letzten Eiszeit war das Gebiet von einer 3000 m dicken Eisschicht bedeckt. Die jüngste Wärmeperiode, in der Menschen hier gelebt haben könnten, liegt ungefähr 65 000 Jahre zurück, die Wärmeperiode davor 125 000 Jahre.

(+3) Quelle: Sanford, "Sheguiandah Reviewed", S. 7

(+4) Quelle: ebd., S. 14

(+5) Quelle: ebd.

(+6) Quelle: ebd.

(+7) Quelle: Cremo u. Thompson, Verbotene Archäologie, S. 300

(+8) Quelle: ebd., S. 296


Bild-Quelle

(1) Profiles of Swamps [...] at the Sheguiandah site, Manitoulin Island. [...] Aus: "Geoarchaeological Studies of the Sheguiandah Site and Analysis of Museum Collections", by Patrick J. Julig and William C. Mahaney in The Sheguiandah Site: Archaeological, geological and paleobotanical studies at a Paleoindian site on Manitoulin Island, Ontario; nach http://www.civilization.ca/academ/articles/sway_06e.html (Seite nicht mehr online)


Literatur-Hinweis: