Das Reich von Fànis

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Ein spätatlantischer Aussenposten in den Alpen?

(bb) Neben der grundsätzlichen Überlegung, wo das Zentrum der untergegangenen Zivilisation von Atlantis gelegen haben könnte, stellt sich aus atlantologischer Sicht natürlich auch die Frage nach Kolonien oder Stützpunkten der Atlanter. Ein solcher spät-, oder postatlantischer Stützpunkt könnte z.B. in Südtirol gelegen haben. Dazu der folgende Kurzbericht.


Das Val Camonica und die Legenden von Fànis

Jungzeit-Atlantologen, wie etwa Jürgen Spanuth, ist aus dem Lager orthodoxer Forscher häufig vorgeworfen worden, sie zeichneten ein übersteigertes und idealisiertes Bild bronzezeitlicher Kultur in Nordwest- und Zentraleuropa. Dabei drängt sich häufig die Vermutung auf, dass umgekehrt gerade solche Kritiker der Öffentlichkeit ein möglichst primitives und, im Vergleich zu orientalischen Kulturen, rückständiges Bild der dortigen Völkerschaften zu präsentieren wünschen. So sprechen Schulhistoriker - ideologisch konsequent, doch sachlich falsch - in aller Regel von "Häuptlingstümern", wenn sie die Machtbereiche bronzezeitlicher - oder noch früherer - Herrscher definieren wollen. Tatsächlich spricht vieles dafür, dass sich auch schon zu diesen Zeiten regelrechte Königreiche mit zentralisierten und möglicherweise theokratischen Machtstrukturen entwickelt haben. Dies darf besonders entlang der 'Bernsteinstraßen' und bei Handelsplätzen entlang der damaligen Küsten sowie an Heiligtümern von überregionaler Bedeutung vermutet werden, wo ein ständiger Kulturaustausch eine schnelle zivilisatorische Entwicklung begünstigt haben muss.

Ein solches vergessenes Königreich der Vorgeschichte, dessen Ursprünge möglicherweise sogar bis in die so genannte 'Steinzeit' zurückreichen, befand sich offenbar in der Alpenregion, wo sich eine Vielzahl urzeitlicher Heiligtümer, Fundstätten altertümlicher Handelsplätze und Siedlungsreste existieren. "So werden der Monte Bego in Südfrankreich, das schweizerische Wallis, Carschenna im eidgenössischen Graubünden, das Veltlin, die Hochebene von Asiago sowie die Hänge des Monte Baldo am Gardasee - vor allem aber Val Camonica (alle auf italienischem Gebiet) als >heilige Orte< bezeichnet."

Das Val Camonica, auch "Tal der hunderttausend Wunder" genannt, liegt im Nordosten von Mailand und erstreckt sich vom Iseosee bis zur Ortschaft Edolo im Norden der Region. Dort haben Vorzeiliche Künstler "unübersehbare Spuren hinterlassen. Wir finden sie als ewige Zeugen einer im Dunklen liegenden Vorgeschichte eingeritzt in die Felslandschaft. Seit damals prägen sie nachhaltig die Charakteristik dieses Tales. [...] Obwohl das Val Camonica zu postglazialen Zeiten vermutlich recht sumpfig und nicht gerade klimatisch begünstigt war, fand hier eine rege Siedlungstätigkeit statt. Menschen ließen sich dort nieder errichteten im Tal sumpfgeschützte Pfahlbauten (manche sogar mehrstöckig)."

Das dort anssässige Volk wird als Camuni (auch: Camunni) bezeichnet. Seine Entwicklungsgeschichte kann an Hand der Relikte über Jahrtausende nachvollzogen werden. Es stand, wie alte Überlieferungen zu berichten wissen, zu einem bestimmten geschichtlichen Zeitpunkt im offenen Konflikt mit seinen Nachbarn, den Fànis-Leuten, die sich gleichzeitig auch mit anderen Völkern der Region im Kriegszustand befanden. Dieses Reich von Fánis lag "in seiner herrschenden Dominanz angeblich hoch droben im Gebirge. Heute finden wir dort, wo das legendäre Königreich vermutet wird, eine bizarre Felsenwüste - sowie die den Namen enthaltende Fànisalpe." Die Macht seines Herrschers war zu dieser Zeit, den Sagen nach, die der Heimatforscher Karl Felix Wolff in seinen "Dolomitensagen" aufgezeichnet hat, auf den Besitz des Zaubersteins >Rayéta< begründet, des wichtigsten Heiligtums der damaligen Alpenregion, von dem angeblich Strahlen ausgingen.

Es gibt verschiedene Überlieferungen dazu, wie der König von Fànis in den Besitz dieses Steins gelangte ist. Fest scheint zu stehen, dass es sich bei dem Vorbesitzer dieses besonderen Kleinods um den mächtigen Magier >Spina de Mùl< gehandelt hat, der offenbar gerne die Gestalt eines halbverwesten Maultierkadavers anzunehmen pflegte. Wie die Sagen übereinstimmend berichten, habe der König den Stein dann seiner Tochter geschenkt, die ihn bis zu seinem Tode in Form eines Diadems trug. Nachdem sie verstorben war, setzte Spina de Mul alles daran, um die Rayéta wieder an sich zu bringen. "Eines Tages, liest man im Legendentext, sei ein gespenstischer >Drachenvogel< vom Himmel niedergefahren, habe die >Rayéta< mit seinen Krallen gepackt, um danach wie ein >feuriger Schweif< durch den Nachthimmel zu entschwinden. Der Strahlenstein soll schließlich in einem tiefen Bergsee versenkt worden sein. Fast gleichlautende Wiedergaben dieses dramatischen Geschehens finden sich nicht nur im Sagenschatz der Dolomiten - auch im Vintschgau erzählt man vom >furigen Alber<, der Nachts mit dem kostbaren >Karfunkelstein< durch die Lüfte braust."

Ebenfalls bis in Wolffs Zeiten wurde in der Region des Gadertals mündlich tradiert, dass sich oben auf der Fànisalpe, gegenüber der Berglücke von St. Kassian, ein "Königsschloss" befunden haben solle, das später in einem furchtbaren Krieg vernichtet worden sei. Heute noch heißt der betreffende Berggipfel traditionell 'Burgstall', also 'Burgstelle'.

Bei diesem Krieg, der das Ende des Fànis-Reiches brachte, kann es sich allerdings schwerlich um die schon erwähnte Auseinandersetzung mit der alpinen Koalition gehandelt haben, welcher auch die Camuni angehörten. Bei der entscheidenden Schlacht dieses Krieges an der 'Fúrtya dai Fèrs' erhielten die Kämpfer von Fànis, als sie schon zu unterliegen schienen, nämlich plötzlich und - zumindest für ihre Feinde - unerwartet Beistand durch das mysteriöse 'Volk der Einarmigen'. "Sie seien >vom Himmel herabgestiegen<, erfahren wir. Ausgerüstet mit >Adlermänteln< wären sie herbeigeflogen. [...] Wolff gibt den Inhalt einer der Dolomitensagen wieder, worin es heißt: > Bei Sonnenuntergang erschienen dann die Einarmigen; in Adlerkleidern kamen sie aus den Lüften herab - jeder ein Schwert in der Hand - und stürzten sich auf die Feinde der Fànis<."


Aus Mythos wird Realität

Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts konnten diese Legenden gestandene Ur- und Frühgeschichtler lediglich zum Schmunzeln bringen. Niemand hätte allen Ernstes einen reidentifizierbaren, historischen Kern in solchen mythischen Überlieferungen vorausgesetzt. 1953 machte der Bozener Archäologe Dr.-Ing. Georg Innerebner dann bei einer Exkursion auf die Fànisalpe eine spektakuläre Entdeckung: Inmitten der bizarren Felslandschaft stieß er in mehr als 2600 m Höhe auf die Überreste einer prähistorischen Wallburg von beträchtlichen Ausmaßen. [1] Bei dem Sachbuchautor Felix R. Paturi finden wir in seinem Buch "Zeugen der Vorzeit" eine Wiedergabe von Innerebners Beschreibung des Fundortes: "Gleich dem Geleise einer Grottenbahn hebt sich aus dem infernalisch wirkenden Steintrümmerfeld ein kreisbogenförmiger Steinwall von rund 50 Meter Länge, einigen Metern Höhe und im Mittel vier Meter Kronenbreite heraus. Unschwer läßt er sich in seinem unter den Steintrümmern verborgenen Teil zu einem Kreiszug von rund sechzig Meter Durchmesser beziehungsweise 200 Meter Umfang ergänzen, der insgesamt eine Fläche von 3000 Quadratmetern einschließt und in seiner Mitte, wie es scheint, einen heute zu einer Kuppe zusammengestürzten Zentralbau getragen hat. Oberflächliche Schürfungen auf der Wallkrone, im Sattel und auf der Kuppenhöhe des Burgstalls ergeben typische Branderde und Scherbenstücke in grober Ausführung, deren Zeitbestimmung mangels charakteristischer Merkmale nicht möglich ist, aber späte Bronzezeit vermuten läßt."

Mit Innerebners Sensationsfund (hier ist wohl dieser Ausdruck tatsächlich einmal angebracht) wurde das mythologische "Fabelreich" von Fànis plötzlich zur historischen Realität. Die Königsburg von Fànis war wiederentdeckt, eine Festung die sich mit vergleichbaren Anlagen in Troja und Mykene durchaus messen kann! Es gab tatsächlich zu dieser Zeit, vor 7000 bis 9000 Jahren, in den Hochalpen ein Volk, der in der Lage war, unter haarsträubenden Umständen eine schier unglaubliche bautechnische Leistung zu vollbringen. Ein solches Bauvorhaben im Hochgebirge setzt schließlich nicht nur eine entwickelte Ingenieur- und Handwerkstechnik woraus, sondern auch eine ausgeklügelte Planung und Logistik; müssen doch tausende von Menschen - direkt und indirekt - am Bau einer solchen Anlage mitgewirkt haben. Welchem Zweck könnte dieser "Gewaltakt" gedient haben? Wer waren diese Fànisleute überhaupt, und woher kamen sie?

Nachdem wir also davon ausgehen können, dass es sich bei dem legendären Reich und der Zwingburg von Fànis um historische bronzezeitliche Gründungen gehandelt hat, könnte hier ja mal der Versuch gemacht werden, diese Fragen aus atlantologischer Sicht zu beantworten - auch wenn wir uns damit in einen hochspekulativen Bereich begeben. Für eine solche, spekulative Analyse bieten sich sowohl die Inhalte der Überlieferungen als auch die Artefakte auf dem Burgstall an, die wir miteinander in Verbindung setzen müssten.

Was mich wundert: Es gibt - zumindest im deutschsprachigen Raum ist wohl nichts dazu dokumentiert - scheinbar keine weiteren archäologischen Untersuchungen der Ruine auf dem Burgstall. Auch aussagekräftige Fotos davon lassen sich nicht auffinden.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Bernhard Beier wurde erstmals online am 05. Oktober 2002 unter dem Titel "Das Reich von Fánis - Ein spätatlantischer Aussenposten in den Alpen?" im forum.grenzwissen.de verlöffentlicht. Bei Atlantisforschung.de erscheint er im Oktober 2014 in einer überarbeiteten Neufassung.

Fußnoten:

  1. Anmerkung: Dazu haben wir im Internet auch folgenden Verweis entdeckt: "Während für den Ethnologen Karl Felix Wolff das >Spina de Mul< ein Gebilde menschlicher Fantasie darstellt, hält er die Legende von König der Fánis historisch für überprüfbar. Viele Jahre nach Wolffs Aufzeichnungen fand der Bozener Archäologe und Ingenieur Dr. Georg Innerebner 1953 in den Steinwüsten der Fánesalpe auf 2600 m Höhe die Überreste einer vorgeschichtlichen Wallburg. Schon oberflächlich durchgeführte Ausgrabungen führten zu einem Burgstall, brachten Asche längst verglühter Feuer und Scherben von Tongefäßen zutage. Die Funde deuten auf die späte Bronzezeit, also etwa 1000 bis 800 v. Chr.
    Tatsächlich lebten vor der Besetzung durch die Römer etwa 200 Stämme in den Dolomiten, von denen nicht nur die vielen tausend Felszeichnungen Zeugnis ablegen, sondern auch Hunderte von mündlich weitergegebenen Sagen. Das umfangreiche Material nennt einige der durch den Fánis-König unterdrückte Völker wie die Cayutes oder die Peleghétes, die schließlich gemeinsam in den Kampf gegen den Widersacher zogen." Quelle: Kraftorte, unter: Kraftorte und Kultplätze in SÜDTIROL - ITALIEN (abgerufen: 22. Okt. 2014)

Bild-Quellen

1)