Walter Stender

Zur Erinnerung an einen bemerkenswerten Atlantisforscher

von Bernhard Beier und Günter Bischoff

Abb. 1 Die Legende vom 'Sturz des Phaethon' auf einem Stich aus dem Jahr 1614 (Bild: Bibliothèque Nationale de France - Est. Ed. 11, rés. fol. 82 -, Paris)

"Sagen wurden früher nicht besonders ernst genommen. Wer hätte wohl das für möglich gehalten, wenn in einer wohlbekannten griechischen Sage erzählt wird, Phaéton habe den Wagen seines Sonnenvaters Helios nicht lenken können? (Abb. 1) In Irrfahrten habe er schreckliches Unheil angerichtet. Der Sonnenwagen war zwar ein Missverständnis, doch sonst war es ein wirkliches Geschehen." (Walter Stender, 1997)

Für Chronisten der Atlantisforschung (die so genannten Atlantologie-Historiker stellt sich leider nur allzu häufig das Problem, dass über viele interessante Persönlichkeiten aus diesem Bereich nach deren Ableben kaum noch etwas Substanzielles zu ihrer Vita zu ermitteln ist. Sofern die Verblichenen nicht bereits zu Lebzeiten durch zahlreiche – oder auch spektakuläre bzw. publikumswirksame - Veröffentlichungen ins Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit gerückt sind, lassen sich häufig auch die bisweilen bemerkenswerten Ergebnisse ihrer Forschertätigkeit kaum noch rekonstruieren und würdigen. Einer dieser – zu Unrecht - schnell in Vergessenheit geratenden Atlantisforscher war Walter Stender (1905-2000), an den in diesem Beitrag erinnert werden soll. Das Wenige, was sich bisher über W. Stenders Leben und Werk in Erfahrung bringen lässt, basiert weitgehend auf einem Nachruf aus dem Kreis seiner Familie, sowie auf Informationen, die Günter Bischoff, der Ko-Autor dieses Artikels, im Rahmen von Gesprächen der beiden von ihm persönlich erhielt.

Walter Wilhelm James Stender, wie er mit vollem Namen hieß, wurde am 21. Juli 1905 in Baldone (deutsch: Baldohn) geboren, einem für seine Schwefelquellen bekannten Kurort, der. ca. 30 km südöstlich von Riga in Lettland liegt, das zu dieser Zeit noch Bestandteil des russischen Zarenreiches war. Nach dem I. Weltkrieg und vermutlich auf Grund der innenpolitischen Wirren in Lettland, das am 18. November 1918 seine Unabhängigkeit von Russland proklamierte, wanderte seine Familie von Baldone nach Deutschland aus. Welchen Beruf der junge Walter Stender hier erlernte und ausübte, ist nicht klar. Aus den fragmentarischen Informationen, die uns vorliegen, lässt sich jedenfalls schließen, dass er im ingenieur-technischen Bereich tätig wurde, und - zumindest später, in der Vorkriegszeit und während des II. Weltkriegs - mit der Konstruktion oder dem Bau von Flugzeugen zu tun hatte. Die großen 'Asse' der zivilen Motorfliegerei, z.B. Hannah Reitsch, kannte er, wie der Wissenschaftsphilosoph Dr. Horst Friedrich dazu anmerkt, fast alle persönlich. [1]

Nach Ende des II. Weltkriegs wohnte Walter Stender in Konstanz am Bodensee, und er scheint auch nach 1945 beruflich vor allem im Bereich der Luftfahrt-Industrie tätig gewesen zu sein, wobei ihm offenbar seine alten Verbindungen zum zivilen Flugzeugbau aus der Vorkriegszeit zugute kamen. Dass er nicht gerade in einer subalternen Funktion arbeitete, erschließt sich aus einer Äußerung von ihm, er sei von seiner Nachkriegsfirma wiederholt tageweise zu Kurzreisen in die USA geschickt worden. Die dafür nötigen Englisch-Kenntnisse (und solche des Spanischen) hatte er sich nach eigenen Angaben durch die Lektüre von Fachliteratur angeeignet. Zeitweilig arbeitete er auch (als Ingenieur? G.B.) in Coburg in einer Fabrik, die Hobelbänke herstellte. Zuletzt fertigte er für Dornier (Flugzeugbau-) Gutachten an. Außerdem war er Mitverfasser des 1959 von Georg Brütting - einem Mitbegründer des Deutschen Aero-Clubs - veröffentlichten Sachbuchs "Taschenbuch des Motorfliegers". Nach seiner Pensionierung zog Walter Stender 1970 nach Germering bei München, wo er bis zu seinem Tod am 17. Januar 2000 seinen Lebensabend verbrachte.

Auch in den letzten Dekaden seines Lebens blieb Walter Stender augenscheinlich der Fliegerei verbunden, denn er soll - zumindest zeitweilig - in einem Segelflugklub mitgearbeitet haben. Daneben frönte er aber nun auch einer ganz anders gearteten Leidenschaft: der Beschäftigung mit Platons Atlantis sowie mit alten Mythen, welche er mit dem Atlantisbericht in Verbrindung brachte. Ob er erst als Rentner zum passionierten Atlantisforscher wurde, läasst sich heute wohl nicht mehr klären, aber es steht außer Frage, dass er in zentralen Aspekten ein überzeugter Anhänger der Thesen Jürgen Spanuths war.

Die Interessen- und Wissensgebiete des Germeringer Privatforschers waren allerdings breiter gefächert. So befasste er sich neben Impakt- und Atlantisforschung beispielsweise auch mit mysteriösen Metallkugeln in Südafrika, mit ungewöhnlichen Leuchterscheinungen in Schweden und der zentralen Figur des christlichen Glaubens. Jeesus lebte nach seiner Auferstehung weiter, ging als Missionar nach Indien und starb erst dort hoch betagt, war Walter Stender nach eingehender Beschäftigung mit diesem Thema überzeugt. Er war bis zuletzt geistig aktiv. Seine Arbeiten ließ er nach seiner Pensionierung in mehreren Zeitschriften veröffentlichen.

Was Walter Stenders Atlantisforschungen betrifft, so ist bisher leider nur eine einzige Arbeit von ihm einem breiteren Publikum bekannt geworden, nämlich sein, 1997 in der Zeitschrift EFODON-SYNESIS (Nr.24) erschienenes, Traktat "Die Wirklichkeit der Phaéton-Sage", das auch online frei abrufbar ist. Darin lieferte er äußerst beenkenswerte Argumente, um "die Vernichtung von Atlantis mit der Phaéton-Sage in Verbindung zu bringen, die er als die katastrophalen Auswirkungen eines vorbeiziehenden und schließlich auf die Erde stürzenden Himmelskörpers deutet." [2] Dieses Ereignis soll in seinen primären Auswirkungen vor allem Atlantis betroffen haben, doch seine Folgen seien auch für die damalige Menschheit insgesamt "dermaßen gravierend" gewesen, "dass sich die Erinnerung an diese globale Katastrophe tief in die Erinnerungs- und Vorstellungswelt der Menschheit einprägte." [3]

Günter Bischoff kam mit dem Privatforscher und seinen Erkenntnissen das erste Mal in Berührung, als ihm ein Bekannter aus München 1994 Stenders Manuskript „War Phaéthon ein Planetoid?“ zuschickte. [4] Die geniale Grundidee des Artikels überzeugte ihn sogleich: Nach Stenders Meinung umkreiste der Himmelskörper vor seinem Einschlag erst mehrere Male auf kleiner werdenden Ellipsenbahnen die Erde. Dieses extrem selten auftretende Naturereignis hatte bis dahin kein anderer Impaktforscher in Erwägung gezogen.

Nach anfänglichen telefonischen Kontakten lud Walter Stender G. Bischoff erstmals 1996 in seine Wohnung in Germering ein. Dieser lernte ihn als korrekten, vielseitig gebildeten und liebenswürdigen älteren Herrn kennen, mit dem er viele Fragen diskutieren konnte. Besonders beeindruckte ihn in Stenders Wohnung ein großer Schrank voller Ordner mit Korrespondenzen und Materialsammlungen zu verschiedenen Wissensgebieten. Nachdem Günter Bischoff ihm seinen 1988 veröffentlichten Artikel über Spanuths Atlantistheorie zuschickte, übereignete Stender ihm den Ordner mit der gesamten Korrespondenz, die er viele Jahre mit dem großen Atlantisforscher geführt hatte, wodurch diese Unterlagen erhalten geblieben sind.

Somit lässt sich z.B. belegen, dass Walter Stender mit seinen Ideen zum Sturz des Phaéthon maßgeblichen Einfluss auf die späteren Veröffentlichungen von Jürgen Spanuth hatte. Dieser schloss sich den Ergebbnissen von Stenders astronomischen Studien in seinen später erschienenen Büchern an und verwarf auf deren Grundlage seine bis dahin geäußerten Vermutungen zur Ursache der end-bronzezeitlichen Klimakatastrophe - und zum Untergang von Atlantis.


Publikationen von Walter Stender (noch unvollständig)

  • "Die mysteriösen Kugeln von Transvaal",in: Sammelband „An den Grenzen unseres Wissens“, Band 3, CTT-Verlag Suhl, 1999 (S. 102 – 105)


Anmerkungen und Quellen

  1. Quelle: Dr. Horst Friedrich (der Walter Stender und dessen Gattin nach eigenen Angaben in den 1970ern kennen lernte) in einem Telefonat mit Bernhard Beier am 04.011.2012
  2. Quelle: Walter Stender, "Die Wirklichkeit der Phaéton-Sage", in EFODON-SYNESIS Nr. 24/1997
  3. Quelle: ebd.
  4. Red. Anmerkung: Interessanter Weise trägt inzwischen auch ein von Astronomen identifizierter Planetoid der Apollo-Gruppe (deren Bahn die Erdbahn von außen her kreuzt) den Namen Phaethon. Siehe: (3200) Phaethon

Bild-Quelle:

(1) File:Phaethon, by Thomas de Leu, after Antoine Caron.jpg, bei: Wikimedia Commons