Hanns Hörbiger: Ein Universum aus Feuer und Eis?
Hanns Hörbiger´s WEL - Ein Streifall der Wissenschaftsgeschichte
(bb) Hanns Hörbiger (1860-1931), ein Erfinder und Ingenieur aus Österreich, gehört mit Sicherheit zu den besonders umstrittenen Persönlichkeiten der deutschen (Grenz-) Wissenschafts- und Zeitgeschichte des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Für seine Anhänger war und ist er ein "gottbegnadeter Forscher" oder ein "Kopernikus des 20. Jahrhunderts", für seine Gegner dagegen der Erfinder einer "skurrilen kosmologischen Phantasterei" und ein "rassistischer Ideologe".
Tatsächlich erscheint Hörbigers "Welteislehre" (WEL) aus heutiger wissenschaftlicher Sicht in toto unhaltbar, und ihr zeitweiliger Erfolg ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund ihrer Instrumentalisierung durch den Nationalsozialismus sowie mit der Faszination zu erklären, die sie offenbar auf Hitler, Himmler und andere "Führer" des 'Dritten Reichs' ausübte. Eine atlantologische Auseinandersetzung mit Hörbiger und der WEL (Atlantis spielt in seinen Szenarien eine gewisse Rolle) muss daher sowohl auf inhaltlicher als auch auf zeitgeschichtlicher Ebene erfolgen. Wer die Hörbiger´sche Welteislehre lediglich wissenschafts-theoretisch oder naturwissenschaftlich reflektiert, läuft Gefahr, ihre ihre ideologische Bedeutung im Kontext der Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts zu verkennen.
So schreibt etwa der Alternativ-Historiker, Chronologie-Kritiker und Atlantologe Uwe Topper über Hörbiger: "... selbst heute kann man seinen Namen kaum erwähnen, ohne sofort auf Ablehnung zu stoßen. Obgleich er die Gnade des frühen Todes hatte (1931) und Österreicher war, wird von wissenschaftlicher Seite heute als Ablehnungsgrund vorgebracht, daß er auch im 3. Reich Anhänger gehabt hätte." (siehe: Die Welt-Eis-Lehre von Hanns Hörbiger von Uwe Topper) Wie sich nachweisen lässt, kann Hörbiger die von Topper [1] bemühte "Gnade des frühen Todes" nur bedingt für sich in Anspruch nehmen, und es lässt sich - bei genauerem Hinsehen - durchaus feststellen, dass er und sein Werk keineswegs erst nach seinem Tod von den Nationalsozialisten für ihre Pläne instrumentalisiert wurden, aber in der Tat ist er selber kaum dafür 'in Haftung' zu nehmen, was eine "deutsche Wissenschaft" zwischen 1933 und 1945 mit seinem Erbe angestellt hat.
Für die meisten heutigen Schulwissenschaftler und ihren publizistischen Anhang ist Hörbiger jedenfalls nichts anderes als ein "Pseudowissenschaftler", "der sich damit brüstete, niemals etwas berechnet zu haben", wie der Atlantologie-Historiker und -Kritiker Lyon Sprague de Camp formulierte. Er "erzählte seinen Jüngern, daß er, als er als Knabe durch ein Teleskop blickte, plötzlich die Erkenntnis hatte, Mond und Sterne bestünden aus Eis. Ferner enthüllte ihm ein Traum, daß die Anziehungskraft der Sonne nur dreimal so weit wie bis zum Planeten Neptun reiche." [2]
Halten wir dazu fest, dass L. Sprague de Camp (1907-2000) ein Scientist 'reinsten Wassers' war, bei dem wir devianter Forschung gegenüber wenig Verständnis erwarten dürfen, und in der Tat erscheint es gerade aus grenzwissenschaftlichem, katastrophistischem Blickwinkel als typisch neo-scholastische Plattitüde, Hörbiger und seine Welteislehre ohne wenn und aber in die Schublade "Pseudowissenschaft" zu stecken. Diejenigen, die dies - zumeist in schlichter Unkenntnis der Fakten - vorschnell zu tun pflegen, seien z.B. daran erinnert, dass die universitäre Astronomie noch bis zum Ende der 1940er Jahre halsstarrig darauf beharrte, bei den Mondkratern handele es sich um die Überreste erloschener Vulkane, während Repräsentanten der WEL, wie Philipp Fauth, sie bereits in den 1930er Jahren völlig richtig als Impakt-Spuren klassifizierten.
Bei Atlantisforschung.de wollen wir versuchen, ein differenzierteres Bild der Welteislehre zu zeichnen, dass sowohl ihre zeitgeschichtlichen Implikationen im Kontext des 'Dritten Reichs' als auch ihre wissenschafts-historische Rolle bezüglich der Entstehung des Neo-Katastrophismus berücksichtigt, und wir werden des weiteren der Frage nachgehen, welche ihrer Einzelaspekte oder Elemente noch heute für die moderne Erd-, Menschheits und Zivilisations-Geschichtsforschung grenzwissenschaftlicher Ausprägung von Interesse und Bedeutung sein können. Außerdem ist in unserem Konext natürlich auch die atlantologie-historische Frage von Interesse, welche Ausstrahlung die WEL auf die moderne Atlantisforschung gehabt hat, und welche atlantologischen Modelle vor ihrem Hintergrund entwickelt wurden.
Fortsetzung: 'Hörbigerismus' im Dritten Reich
Hörbiger, WEL und der Nationalsozialismus
Feuer, Eis und eine 'Götterdämmerung'
Weitere Beiträge zu Hanns Hörbiger und der WEL bei Atlantisforschung.de:
Noch immer unerledigt: Die Welteislehre (Dr. Horst Friedrich)
Die Kosmologie des Hanns Hörbiger (L. Sprague de Camp)
Eine theoretische und historische Betrachtung von Hörbigers Glazialkosmologie (I) (L. Pauwels u. J. Bergier)
Eine theoretische und historische Betrachtung von Hörbigers Glazialkosmologie (II) (L. Pauwels u. J. Bergier)
Die Welt-Eis-Lehre von Hanns Hörbiger (Uwe Topper)
Kurt Bilau: Der 'Flügelmajor' und Atlantis, Teil III: Kurt Bilau und Hanns Hörbigers Welteislehre - WEL (bb)
Externa:
Glacial-Kosmogonie (GK) - 150 Jahre Hanns Hörbiger (1860-2010) (PRIVATINSTITUT für WELTEISLEHRE)
Untergang der Inselreiche Atlantis, Lemurien und Rapa-nui (R. E. Vestenbrugg)
Der kalte Kosmos, an den Hitler glaubte (mit Rüdiger Sünner), dctp.tv (Video, 15,02 Min.)
Literatur-Hinweis:
Brigitte Nagel: Die Welteislehre - Ihre Geschichte und ihre Rolle im »Dritten Reich«,
188 Seiten, zahlr. Abb., Pb., 29,50 Euro - ISBN 3-928186-55-8
Anmerkungen und Quellen
- ↑ Anmerkung: Einen kritischen Kommentar zu diesem Beitrag (Fassung vom Jan. 2010) von Uwe Topper finden Sie bei Atlantisforschung.de unter: "Anmerkung von Uwe Topper zum Beitrag >Hanns Hörbiger: Ein Universum aus Feuer und Eis?<"
- ↑ Quelle: Lyon Sprague de Camp, "Versunkene Kontinente - Von Atlantis, Lemuria und anderen untergegangenen Zivilisationen", München (Wilhelm Heyne Verlag) 1977, S. 96, 97
Bild-Quelle
(1) Welteislehre: Zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft (ORF.at)