Louis Charpentier als alternativer Prähistoriker

"Sollte Atlantis bestanden haben, lag es im Atlantik, oder es war nicht Atlantis" Louis Charpentier, 1975

(bb) Es gibt 'Alternativ-Historiker' (+1)[1], die wesentliche Überlegungen zur Lösung des Atlantis-Rätsels beigetragen haben, ohne dass jemals ein Werk, speziell zu diesem Thema, von ihnen veröffentlicht worden wäre. Dementsprechend kennen auch nur wenige Interessierte die Ergebnisse solcher atlantologischen Überlegungen und Forschungen. Der, 1905 geborene, französische Buch-Autor, Journalist, Forscher und Abenteurer Louis Charpentier gehörte genau in diese Kategorie weitgehend unbekannt gebliebener Atlantis-Autoren des 20. Jahrhunderts, deren Arbeit nicht in Vergessenheit geraten sollte.


Abb. 1 Für Louis Charpentier, der sich als Forscher mit den cromagnoiden Urprüngen der Basken befasste, war Atlantis ein plausibler Ursprungsort für der alten Cromagnon-Kultur. Ihre faszinierende Höhlenmalereien führen dem Betrachter immer wieder den hohen kulturellen Entwicklungsstand dieser vor Augen.

In seinem 1975 in Paris erschienenen Werk "Le Mystère basque" (1987 in deutscher Sprache 1986 unter dem Titel: "Das Geheimnis der Basken" erschienen) widmete Charpentier immerhin mehr als ein Kapitel von fachlich beachtlichem Format dem 'Atlantis-Problem'. Charpentier zeichnet sich dort durch genau jene poly-disziplinäre Betrachtungs- und Argumentationsweise aus, wie sie für die gesamte rationale, empirisch und naturwissenschaftlich orientierte, Atlantisforschung (also sowohl für atlantologische 'Konformisten' als auch für 'Nonkonformisten') und charakteristisch ist. So legt er im Rahmen seiner vergleichsweis knappen Atlantida-Interpretation, die quasi einen Exkurs innerhlb seines Buchs über "Das Geheimnis der Basken" darstellt, exegetische, geologische, paläo-anthropologische und mythologische Argumente vor, um sein Modell eines end-paläolithischen bzw. mesolithischen Atlantis IM Atlantik zu stützen.

Als 'Nonkonformist' erweist sich Charpentier schon dadurch, dass er sowohl in Bereich der Atlantida-Exegese als auch bei seiner geologischen, mythologischen, paläo-antropologischen und kultur- bzw. zivilisations-geschichtlichen Argumentation den paradigmatischen Boden verließ, auf dem sich universitäre Fachwissenschaftler bei ihren Forschungen zu bewegen hatten und haben. Bereits die Tatsache, dass er den Atlantis-Komplex ganz ungeniert und unpretentiös zur Lösung ungeklärter Fragen atlantisch-europäischer Urgeschichte (insbesondere des Cromagnon-Problems) mit einbezog, musste aus Sicht des wissenschaftlichen Establishments 'Häresie' sein. Schließlich ließ er sich damit auf ein 'illegitim' gewordenes Forschungsgebiet ein, das zu seiner Zeit längst als "pseudowissenschaftlich" deklariert war und an den Universitäten als 'no go area' galt.

Zudem musste Charpentier zwangsläufig mit seinem katasreophistischen Vorstellungen zur rezenten erdgeschichtlichen Vergangenheit des atlantischen Raums bei Geologen (+2)[2], von Mythologen wegen seiner euhemeristischen (vergl.: Sichwort Euchemerismus) Auslegung ältester Überlieferungen, und von Ethnologen und (Paläo-) Anthropologen (+3)[3] aufgrund seiner 'unorthodoxen' Lösungsansatz zum Problem des Ursprungs der Cromagnon-Menschen mit härtestem Widerstand rechnen. Darüber machte er sich offenbar auch keine Illusionen und sah voraus, dass man ihm vorwerfen werde, sich "auf das weite Feld der vorgeschichtlichen Spekulation zu begeben"[4] (+4).


Abb. 2 L. Charpentier war keineswegs der erste, der die Cromagnon-Kultur mit den atlantischen Invasoren aus Platons Bericht in Verbindung brachte. Siehe etwa L. Spence (1924), R.E. Stacy-Judd (1939), Otto Muck (1954), N. Zhirov (1968) und R. Cedric Leonard (1979); Foto: Pferdeabbildung aus der Höhle von Lascaux).

Zudem gehört der französische 'Alternativ-Historiker' zum Kreis derjenigen Atlantis-Autoren, die, wie z.B. Otto Muck (1954), Uwe Topper (1977) und Manfred Hocke (1978), bei ihrer Betrachtung der hellenischen und orientalischen Mythologie zur Auffassung gelangt sind, bei den 'Giganten' und 'Titanen' der alten Überlieferungen handle es sich nicht um 'Fabelwesen', sondern u.a. um mythisierte Erinnerungen an prähistorische Populationen riesenhafter, später vergöttlichter, Menschenwesen (+5)[5] - eine Ansicht, bei deren Vortrag "die meisten Anthropologen / Archäologen", wie der Autor Mason Winfield aus den USA es vor einigen Jahren formulierte, "vor Lachen vom Stuhl fallen würden."[6] (+6)

Charpentier darf also - je nach Standort des Betrachters - als "Spinner" eingestuft werden, der "Unsinn" wie den Atlantisbericht ernst nahm und sogar "naiv" genug war, "Märchenwesen" wie den 'Riesen' Historizität zuzubilligen (+7)[7], man kann ihn aber auch zu den Erneuerern der 'klassischen Atlantis-Theorie' und den Pionieren auf dem jungen, alternativen Forschungs-Gebiet der 'Gigantologie' (= Riesenforschung) zählen, mit dem sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zahlreiche Autoren aus dem Bereich nonkonformistischer Paläo-SETI-Forschung und Atlantologie zu befassen begannen.

Sein Engagement auf gleich zwei "illegitimen" und "pseudo-wissenschaftlichen" Forschungs-Gebieten - 'Atlantiologie' und 'Gigantologie' - weist Charpentier jedenfalls, neben seiner euhemeristischen, diffusionistischen und katastrophistischen Auseutung menschlicher Prähistorie als typischen Repräsentanten dessen aus, was wir heute als 'alternative' Ur- und Frühgeschichts- sowie Zivilisations-Geschichtsforschung bezeichnen. Auch wenn er mit seinem Satz "Sollte Atlantis bestanden haben, lag es im Atlantik, oder es war nicht Atlantis" das 'Credos' einer ganzen Richtung moderner, nonkonformistischer Atlantisforschung formuliert hat: ein Atlantologe im engeren Sinne (also jemand, der die 'Entschlüsselung' der Platonischen Atlantida über lange Jahre hinweg als zentralen Gegenstand seiner Forschung betrachtet und betreibt) war er sicherlich nicht.

Vielmehr leistete sich der unabhängige, privat forschende und publizierende, Gelehrte, der keinerlei Ambitionen auf einen akademischen 'Heiligenschein' erkennen ließ, den Luxus, verknöcherte Paradigmen und veraltete Lehrmeinungen ebenso konsequent zu ignorieren wie verordnete Denkverbote und 'no go areas' in der Forschung. Dabei stellte das klassische Atlantis-Modell für Charpentier nicht die ultima Ratio zur Erklärung des Ursprungs von Basken- und Cromagnon-Leuten, wohl aber einen zulässigen und vielversprechenden Ansatz dar, den er guten Gewissens verfolgen konnte.


Abb. 3 Nur wenige Kunst- oder auch Kult-Gegenstände der Cromagnon-Leute, wie diese geschnitzte Löwenfrau, sind erhalten geblieben. Über ihre Kulturen und deren Herkunft wissen wir nach wie vor recht wenig. Die von L. Charpentier et al. vertretene These, sie stammten aus dem prädiluvialen Atlantik-Raum, ist noch immer aktuell.

In "Le Mystère basque" entwickelte Charpentier, ausgehend von seinen Studien zu Basken und Cromagnards, ein prähistorisches Szenario, in welchem er das Platonische Atlantis als mögliches Kulturzentrum im Atlantik der späten Eiszeit ins Spiel bringt. "Ich behaupte nicht, es habe Atlantis gegeben", äußerte er sich 1975 vorsichtig, "sondern nur, daß es vielleicht dort war." Jedenfalls betrachtete er es als "unwissenschaftlich und unlogisch, seine Existenz ohne weiteres zu verwerfen, nur weil man voreingenommen ist. Würde man heute Indizien für die Wahrscheinlichkeit der Existenz von Atlantis und für die Wahrscheinlichkeit seines Nichtbestehens gegeneinander abwägen, neigte sich die Waage sicher zugunsten seiner Existenz..."[8]

Neben Atlantisforschern wie Lewis Spence (1924, 1925, 1926), Robert E. Stacy Judd (1939), dem bereits erwähntem Otto Muck (1954), Nikolai Zhirov (1988, 1970) und R. Cedric Leonard (1979) repräsentiert auch Chapentier eine modernen Schule oder Richtung der 'nonkonformistischen' Atlantisforschung des 20. Jahrhunderts, deren Vertreter weitgehend der 'klassischen Atlantis-Theorie' folgten. Eine Revision der Platonischen Zeitangaben zogen sie als echte 'Altzeitler 'nicht in Betracht und teilten die Grundüberzeugung, dass es sich bei den in der Atlantida (+9)[9] geschilderten 'Großen Krieg' "zwischen den außerhalb der Säulen des Herakles und den innerhalb derselben wohnenden" (Kritias 108e) um die Ereignisse während der vermuteten (letzten) Invasion cromagnoider Völker gehandelt habe, die vom Atlantik aus nach Afrika/Europa und Amerika eingewandert seien.

Charpentier bot 1975 gerade einem fachlich nicht 'vorgebildeten' Publikum einen leicht verständlichen aber niveauvollen Einstieg in die Ideenwelt und Argumentationsweise moderner 'klassischen Atlantis-Theorie', auch wenn er darin keinerlei Bezug auf die Arbeiten anderer Atlantisforscher nimmt und in seinen Überlegungen autochthon erscheint. Bei der Lektüre von "Le Mystère basque" einem im besten Sinne 'populärwissenschaftlichen' Buch, wird jedenfalls für den Leser erkennbar, warum ein ernstzunehmender Privatgelehrter wie er sich ausgerechnet für eine modernsierte Version der klassischen Atlantis-Theorie stark machte, obwohl dies seine Akzeptanz in universitären Forschern-Kreisen kaum befördern konnte.

Doch diese viel bespöttelte und immer wieder totgesagte Theorie liefert mit ihrem Szenario größerer und kleinerer, vom Menschen schon früh besiedelter, Atlantik-Inseln als 'Sprungbretter' für Migration und kulturelle Diffusion (vergl.: Stichwort Diffusionismus) über den Atlantik hinweg Erklärungen für Phänomene wie die altsteinzeitliche Clovis-Solutreen-Connection, besondere genetische Übereinstimmungen zwischen modernen Europäern und amerinden Nordamerikanern sowie das Vorkommen kaukasoider Populationen in Paläo-Amerika (+10)[10], oder der rätstelhaften Herkunft der Cromagnon-Kulturen (+11)[11] und damit auch der Klärung des Ursprungs des ältesten Volkes in Europa: der Basken. (+12)[12]


Beiträge von und über L. Charpentier bei atlantisforschung.de:

Das cromagnoide Atlantis (Louis Charpentier)



Anmerkungen und Quellen:

  1. Anmerkung: ALTERNATIV-HISTORIKER = Auf eine Einzelperson bezogene (im Singular) Bezeichnung, oder (im Plural) ein Sammel-Begriff für all jene universitären Wissenschaftler und Privatgelehrten, die im Bereich der Geschichtsforschung, insbesondere der Zivilisations-, Ur- und Frühgeschichtsforschung: a) mit ALTERNATIVEN, d.h. im 'real existierenden Wissenschaftsbetrieb weitgehend' nicht anerkanntsn, Forschungs-Gegenständen beschäftigen oder auf Gebieten wie (z.B. Atlantisforschung, Parapsychologie etc.) bewegen, die bisweilen sogar als "pseudowissenschaftlich" deklariert werden; --- und/oder die: b) zu ALTERNATIVEN, d.h. ausserhalb des Kanons der in der scientific community anerkanntern Lehrmeinungen liegenden, Erkenntnissen kommen, die womöglich sogar zentrale Paradigmen des institutionalisierter Wissenschaft infrage stellen.
  2. Vergl. dazu: Geologie - Antipode oder Hilfswissenschaft der Atlantisforschung? sowe "Der geologische Streit um den versunkenen "Kleinkontinent" im Atlantik" (bb)
  3. Vergl. dazu: "Paläo-Anthropologie und Atlantisforschung" (bb)
  4. Quelle: Louis Charpentier, "Das Geheimnis der Basken", Walter-Verlag, Olten, 1986; (Übersetzung von "" ins Deutsche durch Grit Kuntze zitiert nach: L. Charpentier, "Das cromagnoide Atlantis", atlantisforschung.de
  5. Vergl. dazu die Beiträge in unserer Rubrik "Riesen, Zwerge & Co - Traumwesen, Märchengestalten oder prädiluviale Spezies?"
  6. Quelle: Mason Winfield, "Giant Skeletons Q & R", unter http://www.masonwinfield.com/ArchiveFiles/October%202002/Giant%20Skeletons%20Q&A.htm
  7. Vergl.: Louis Charpentier, "Les Géants de la Mystère des Origines", Paris (Editions Robert Laffont)
  8. Quelle: L. Charpentier, op. cit. (1986)
  9. Anmerkung: ATLANTIDA = 1.) Im deutschen Sprachraum ein Synonym für (Platons) 'Atlantisbericht'; 2) In anderen Sprach-Räumen (z.B. dem polnischen, russischen und spanischen) das eigensprachliche Äquivalent zu "Atlantis"
  10. Vergleiche dazu: "Genetische Übereinstimmungen zwischen Europäern und Indianern" von Peter Marsh; oder: "'Weiße' Ureinwohner in Nordamerika? - Über den Umgang mit unbequemen Fakten der Menschheitsgeschichte"; sowie: "Die Besiedlungsgeschichte Amerikas und das Atlantis-Problem", Teil V: "Moderne Genetik und neue Einblicke in die Paläo-Historie"; und Teil VI: "Und jetzt auch noch Kaukasoide in Paläo-Amerika ?!?" (von Bernhard Beier)
  11. Zu den Kulturen des 'Menschen von Crmagnon' (eigentlich: Cro-Magnon) und ihren vier Invasionen des afro-europäischen, mediterranen Großraums siehe: "Atlantis und der Cromagnon-Mensch" sowie "Ein atlantischer 'Außenposten' im Nahen Osten" von R. Cedric Leonard
  12. Vergl. dazu: "Das Land der Basken, eine atlantische Insel in Europa" von Juergen Hepke

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Bild-Quellen:

(1) Bildarchiv Bernhard Schöpps

(2) http://web26.artus.powie-net.de/evo/eiszeit/eiszeitkunst00.php

(3) http://ma.prehistoire.free.fr/loewenfrau.htm