Die Horusdiener, David Rohl und Mizraim
Leseprobe aus dem Buch Auf der Suche nach dem Garten Eden von Roland M. Horn
Jetzt gehen wir zur letzten biblischen Figur, die wir uns hier ansehen wollen: Mizraim – der zwar selbst nicht so wichtig ist wie die anderen beiden Personen, aber Rohls Erklärung könnte ein neues Licht auf die „Horusdiener“ werfen, die in den ägyptischen Überlieferungen eine wesentliche Rolle spielen, jedoch von der Mainstream-Ägyptologie keine Beachtung erhalten.
Mizraim war nach 1Mo 10 einer der Söhne Hams, dessen Brüder Sem und Jafet hießen. Nach der Sintflut wurden Ham neben Mizraim auch die Söhne Kusch, Put und Kanaan geboren. Nach 1Mo 10,6 hatte Mizraim drei Brüder: Kusch, Put und Kanaan. Wie diese drei wurde Mizraim später der Name eines Landes. In seinem Fall war es Ägypten.
Rohl setzt Mizraim mit einer Person namens Masri gleich, was ihm zufolge „ein Mann aus Masr“ bedeutet.[1] ist der arabische Name für Ägypten, während Mizraim der hebräische Name für dieses Land ist.
In „The Lost Testament“ schreibt Rohl, dass Masris Stamm zusammen mit seinen Brüdern Kolonien in Afrika gründete. Der Stamm Masris segelte mit eigenen Bootsflotten mit den Stämmen seiner Brüder von Eridu ausgehend – wo der Turm von Babel fiel – um die arabische Halbinsel, um dann auf der Westseite des Roten Meeres eine neue Heimat für seine Gefolgsleute zu suchen. Masri verfügte Rohl zufolge über ein Dutzend schwarzer Schiffe, die dort ans Ufer kamen, wo heute die ägyptische Kleinstadt Marsa Alam die Küste umschließt. Dort gab es Golderz, das in beschränktem Ausmaß von der örtlichen Bevölkerung aus den lokalen Bergen der im Osten gelegenen Wüste gefördert wurde.
Rohl zufolge waren den Gefolgsleuten des Masri diese Reichtümer wohl bekannt, noch bevor sie von Mesopotamien aus in See stachen. Rohl meint, dass das wertvolle Metall Gold im Zweistromland Mangelware war und sich dort die Nachricht von dem reichen Vorkommen dieses Edelmetalls in den ägyptischen Hügeln am Roten Meer schnell verbreitet habe.
Jetzt kommen wir auf die Horusdiener, im Grunde besser übersetzt als „Gefolgsleute des Horus“ (the followers of Horus) zu sprechen. Die ägyptische Überlieferung kennt zwei Zeitalter vor dem dynastischen Ägypten. Die „Erste Zeit“ Tep-Zepi wurde von den Göttern regiert, wie das Turiner Königspapyrus und auch der Priester Manetho berichten. Demnach soll das ägyptische Reich vom Gott Ptah errichtet worden sein, der 9.000 Jahre lang über das Land regierte. Danach folgten die Götter Ra, Schu, Geb, Osiris (den Rohl im Übrigen mit Nimrod gleichsetzt!), Seth, Horus und Thot.
Anschließend kam das Zeitalter der Halbgötter, der Horusdiener, und erst später kam die prädynastische Zeit (ca. 3420-3100 v.Chr.), in der die Macht der Priesterschaft der Horusdiener zerfiel und eine Vielzahl von kleineren Königreichen entstand. Erst später entstand das dynastische Ägypten – das Ägypten der Ägyptologen und Archäologen.
Um wieder auf Rohl zurückzukommen, gelang es nach diesem Ägyptologen dem Stamm Masris, seine Schilfschiffe sicher um das Korallenriff am Westufer des Roten Meeres zu navigieren, um auf dem weichen Sand am Eingang eines wilden Wadis aufzusetzen, der in die östlichen Wüstenberge führt. Der schmale Streifen der Küstenebene war übersät mit Platanen und Palmen, die die Bootsleute nun fällten, um starke Holzschlitten zu bauen, die sie mit Seilen aus Palmwedeln und Schilfrohr zusammenschnürten. Die schwarzen Schiffe wurden vorsichtig für ihren Landtransport umgeladen, und die schwierige Aufgabe, die Boote zum Nil zu schleppen, begann.
Diese Aufgabe war zunächst ein regelrechter Kampf. Einige der größeren Boote, die in der Lage waren, eine Besatzung von mehr als 80 Menschen zu transportieren, hatten ein enormes Gewicht, doch durch die hohe Anzahl der Besatzungsmitglieder hatten sie auf der anderen Seite auch wieder mehr Menschen, die sie ziehen konnten. Allmählich fand man dann auch die beste Technik und den besten Rhythmus heraus, und der Konvoi aus hochbesetzten Schiffen bewegte sich langsam, mit einer Geschwindigkeit von etwas mehr als einem Kilometer pro Tag, in Richtung Westen. Ausgesandte Spähtrupps machten den Weg frei, um Herden von Antilopen, Steinböcken und Rinder zu jagen, mit denen sie den Konvoi verpflegten. Wasser wurde von Pack-Tieren aus Wasserlöchern und kleinen Oasen, mit denen die Landschaft übersät war, geholt.
Es sollten vier Wintermonate vergehen, in denen die Boote ihrem Ziel – Wadi Abbad – immer näher kamen. Nachdem die Besatzung ihre Schiffe über 130 Kilometer gezogen hatte, ruhte sie sich im Schatten der südlichen Klippen des Tals aus, wo sie auf die jährliche Flut warteten. Wochen vergingen. Einige der Männer gingen auf die Jagd und andere reparierten Boote. Sie ritzten Bilder von sich selbst auf die Boote und dekorierten die Oberflächen mit Elefanten, Giraffen, Rindern, Wildeseln, Antilopen, Steinböcken, Nilpferden, Krokodilen und Straußen. Während die Temperatur beständig zunahm, warteten sie, bis endlich – im Jahr 2979 v.Chr., zu Beginn jenes Monats, der unserem August entspricht – ein glitzerndes, silbernes Band am westlichen Horizont des großen, flachen Wadis erschien. Es dauerte jetzt nur noch einige Tage, bis die Wasser der Nilüberschwemmung die Schiffsrümpfe einhüllten. Innerhalb von einer Woche waren die Schiffe schwimmfähig und konnten den Wadi heruntergeschleppt werden. Bald war das Wasser tief genug, um die Ruder einsetzen zu können. Jetzt fuhr die Flotte ihrer endgültigen Bestimmung entgegen: dem Nil.
Die Gefolgsleute des Masri – Rohl erinnert an seine Erkenntnis, dass dieser mit dem biblischen Mizraim identisch ist – stießen auf Widerstand seitens der Bewohner des Niltals, und obwohl die indigene Bevölkerung nicht in der Position war, eine gut organisierte militärische Organisation auf die Beine zu stellen, organisierten sie einen Kampf gegen die Neuankömmlinge. An der großen Nilschleife nördlich der modernen Stadt Luxor kam es zu Zusammenstößen. Sowohl entlang der Küste als auch auf dem Nil selbst wurde gekämpft.
Masris Stamm (Rohl bezeichnet Masri hier wieder als „Mizraim“) war in der Landschlacht erfolgreich – hauptsächlich deshalb, weil sie die birnenförmigen Keulen einsetzten, die sich als effektiver erwiesen als die scheibenförmigen Keulen der lokalen Krieger. Viele der Letztgenannten wurden abgeschlachtet und ihre Häuptlinge gefangengenommen, um bald ein trauriges Ende in rituellen Schlägen durch die Fremden zu erleiden. Die kleinen, sichelförmigen Papyrusboote der Nilbewohner wurden von den großen Balkenschiffen der aus dem Zweistromland gekommenen Bootsleute gerammt und vollkommen zerquetscht. Die leblosen Körper, die mit dem Strom nordwärts trieben, dienten als Warnung für alle Bewohner entlang der großen Flussbänke. Von nun an gab es eine neue Ordnung, und nichts war mehr, wie es einmal war.
Der Masri-Klan errichtete nun seine Siedlungen und Tempelbezirke am Westufer des Nils an einer Stelle, die später von den Ägyptern Nechen und von den Griechen Hierakonpolis genannt wurde. Später – in der frühdynastischen Periode – wurde eine zweite Siedlung an der Mündung des Wadis, der zum Roten Meer führt, auf der Ostseite des Nils errichtet. Dieser Ort wurde als Nekheb bekannt – die Stadt der Himmels- und Kronengöttin Nechbet.
Jetzt kommen wir endlich auf den Zusammenhang zwischen dieser Unternehmung des Masri-Klans und den sagenumwobenen Horusdienern zu sprechen: Masri hat sich – wenn man Rohl folgt – den Falken als seine Standarte erhoben. Seit der Landung an der afrikanischen Küste trug er das Emblem an der Spitze der Expedition, erklärt Rohl. Und weiter:
„So entstand das Reich des Falken und mit ihm die Legende von den Shemsa-Har – den Gefolgsleuten des Horus [Horusdiener; Anm. RMH] – den Elitekriegern der Horus-Könige von Oberägypten, die schließlich die gesamte Länge des ägyptischen Nils erobern und das Land unter den Pharaonen der ersten Dynastie vereinen sollten.“
Anm. und Quellen
Bildquelle
Abb. 1: Sadalmelik, Public domain, via Wikimedia Commons
Abb. 2: AnuRa Verlag