Atlantis auf dem Celtic Shelf - Eine wissenschaftliche Hypothese zu Platons Atlantis-Bericht (Teil II)

von Viatcheslav Y. Koudriavtsev


Platons Maßangaben

Im Kritias heißt es, die Hauptstadt der Atlanter sei umgeben von einer 2.000 x 3.000 Stadien (ungefähr 385 x 580 km) großen Ebene. Wie wir bereits sagten, brauchen die Befürworter von verschiedenen Hypothesen einige Anpassungen von Platons Daten, damit sie zu bestehenden, geeigneten Orten passen. Hierzu nutzen sie die Annahme eines numerischen Fehlers – bestehend in der Multiplikation von Zahlen mit zehn, nicht nur in punkto Zeit, sondern auch bezüglich der Abmessungen der Ebene. Deswegen gilt alles, was wir oben über derartige Methoden der Interpretation Platons festgestellt haben, die vom Standpunkt der Logik aus der Kritik nicht standhalten können, auch für diese Angaben.

Abb. 1: Thera, Helgoland, Karthago oder Troja als Atlantis? Ein Blick auf die alte 'Weltkarte' des Herodot macht deutlich, dass Platon wohl kaum ein nur mehrere Dutzend Kilometer breites Gebiet als größer als "Asien und Libyen zusammen" bezeichnet hätte.

Und wenn im übrigen vermutet wird, dass fast alle die numerischen Daten fehlerhaft sind und überarbeitet werde sollten, dann wird meiner Meinung nach die ganze Sache ein bisschen lächerlich: wäre es nicht einfacher, Platons Erzählung von Atlantis zu streichen und ihre eigenen, mit den für sie annehmbaren Parametern, zu verfassen?

Es gibt noch ein anderes Argument, das die Tatsache belegt, dass es dort in punkto Maße nie irgendeinen Fehler der Multiplikation mit zehn gegeben hat. Platon sagte, dass Atlantis "größer als Asien und Libyen zusammen" war (Tim., 24e). Selbst wenn wir annehmen, dass Asien hier dafür steht, was jetzt der Nahe Osten genannt wird - nur ein kleiner Teil des asiatischen Kontinents - und Libyen für einen kleinen Teil von Nord-Afrika, so ist es ist schwer zu glauben, dass Platon ein mehrere Dutzend Kilometer breites Gebiet als größer als diese beiden beschreiben würde.


Die Säulen des Herkules (Herakles)

Es scheint ebenfalls zweckmäßig zu sein, jetzt alle die i's und alle die t's [?; d. Red.] zu streichen, die das betreffen, was Platon die Säulen des Herkules nennt. Wir wollen den Abschnitt über die Teile der an Poseidons Söhne verteilten Gebiete lesen: "Sein Zwilling, dem der weiteste Teil der Insel in Richtung der Säulen des Herkules, gegenüber dem jetzt Gadira genannten Bezirk, zugeteilt war, wurde im griechischen Eumelus, aber in seiner eigenen Sprache Gadeiros genannt..." (Kritias, 114b)

In Platons Zeit gebrauchten die antiken Griechen den Namen von Gadeiros für die Stadt, die dort lag, wo das moderne Cadiz jetzt steht, an der Atlantikküste der Pyrenäen-Halbinsel. Wieviel dürfen die Befürworter der Kreta-Hypothese von Platons Erzählung für ihre Hypothese korrigieren, um auf dem Weg von Athen nach Kreta irgendwelche Felsen zu finden, die angeblich die Säulen des Herkules hießen?

Abb. 2: Atlantis (hier nach Donnelly) als Großinsel im nördlichen Mittel-Atlantik? V. Koudriavtsev lehnt die klassische Interpretation der Atlantida unter Berufung auf den 'jüngsten Stand geologischer Forschung' ab.

Hätten solche Felsen tatsächlich existiert und wäre die Insel Kreta wirklich Atlantis gewesen, dann wären für die ägyptischen Priester ihre Bewohner die gewesen, welche "innerhalb der Säulen" lebten, während die Bewohner von Athen diejenigen gewesen wären, welche "außerhalb der Säulen" lebten.


Wo ?

Wenn wir Platons Daten betreffend der Zeit als Atlantis existierte und seiner Ausdehnung als glaubwürdig annehmen, und wenn wir der Versuchung widerstehen, dies rätselhafte Land irgendwo in das Mittelmeer zu verlegen, stellt sich die Frage, wo im Atlantik es gelegen hätte und wo dort möglicherweise irgendein Anhaltspunkt für seine Existenz in der Vergangenheit zu finden wäre.

Gemäß geologischer Daten gab es nicht nur in den letzten Jahrtausenden, sondern sogar in letzten Millionen von Jahren keine Hebungen oder Senkungen der Erdkruste im Atlantik-Gebiet, die gleich groß wären wie eine große Insel oder ein kleiner Kontinent. Die Landkarte des Atlantik selbst zeigt es graphisch: die Umrisse der kontinentalen Platten von Afrika und Südamerika fügen sich ideal, ähnlich wie Nordamerika, Grönland, Skandinavien und Europa in ein vollendet passendes Mosaik zusammen [sic!; d. Red.]. Es gibt dort einfach ist keinen Raum für ein angeblich verlorenes Bruchstück (besonders von solchen Ausdehnungen nicht, wie Platon es beschrieb). Alle Ränder des kontinentalen Schelfs des Ozeans stimmen außerdem mit den Biegungen des Mittelatlantischen Rückens überein und auch die Erdkrusten-Spalte selbst, wovon die Erdteile "auseinanderdriften" (siehe Karte vom Nord-Atlantik).

Andererseits trifft die Zeit, als Atlantis wie von Platon angegeben verschwand, genau mit dem Ende der letzten Eiszeit zusammen (ich möchte die Leser daran erinnern, dass Platon vom 10. Jahrtausend v.Chr. spricht). Indessen ist ermittelt, dass während des letzten Eiszeit der Pegel der Welt-Ozeane wesentlich niedriger war als gegenwärtig - gemäß verschieden Schätzungen in der Regel, um 70 bis beinahe 200 m (siehe Relative Sea Level Datenbank). Erhebliche Unstimmigkeiten bei den paläoozeanographischen Angaben über die Meereshöhen-Schwankungen (für diese Periode hauptsächlich glacio-eustatisch), die durch Datierung der alten Küsten-Formationen erhalten wurden, entspringen erstens der Ungenauigkeit der Datierungstechniken selbst (sowohl C-14 als auch anderen); zweitens, die Unmöglichkeit von verlässlichen Annahmen bei der Berechnung der Wechsel der Höhe eines Bereiches, verursacht durch die geologischen Hebungen und Senkungen (obwohl für diese Datierungen ziemlich gute Testgeräte verwendet werden).

Die 200 Meter Isodepth-Linie auf einer Karte des Atlantik gibt eine ungefähre Vorstellung, wie die Küstenlinie zu dieser Zeit ausgesehen haben muss. Es ist zu sehen, dass im Bereich der heutigen Azoren und Kanaren, die am häufigsten für die Reste des versunkenen Atlantis gehalten werden, keine große Landfläche gewesen ist (siehe wieder die Karte vom Nord-Atlantik). Zu sehen ist außerdem, dass im Westen Europas, wo sich jetzt die Nordsee befindet und um die britischen Inseln herum, während der letzten Eiszeit ein ausgedehntes Landgebiet befand, dass groß genug war für eine Ebene von zwei mal dreitausend Stadien (siehe Karte des Keltischen Schelf). ISLAND?

Aber der griechische nesos wird ganz unzweideutig als "Insel" übersetzt und ich habe keinerlei Anlass, davon auszugehen, dass es zu irgendeiner Zeit einmal auch eine andere Bedeutung gehabt haben könnte. In gleicher Weise erlaubt das lateinische "insula" keine weitere Interpretationen. Ist es deshalb möglich, dieses Landgebiet im Westen Europas mit Platons Atlantis gleichzusetzen? Ich glaube, es ist, und es gibt zwei mögliche Erklärungen, warum das Wort, das "Insel" bedeutet, für etwas benutzt wird, das eigentlich keine war:

Anlass hierzu ist, was Kritias im Dialog desselben Namens über die Verzerrung von Namen infolge ihrer Übersetzung von einer Sprache in die andere, als die Geschichte übermittelt wurde, sagte: "Bevor ich beginne, ein kurzes Wort der Erklärung, falls du überrascht bist, oft von Ausländern mit griechischen Namen zu hören. Der Grund ist dieser. Solon beabsichtigte, die Geschichte in seinem eigenen Gedicht zu verwenden. Und als er, auf die Frage über die Bedeutung der Namen, erfuhr, dass die Ägypter die Originale in ihre eigene Sprache übersetzt hatten, ging er den entgegengesetzten Weg und, wenn er die Bedeutung eines Namens erfuhr, schrieb er ihn auf Griechisch nieder. Mein Vater hatte sein Manuskript, welches sich jetzt in mein Besitz befindet, und ich studierte es oft als Kind. Wenn du daher Namen vernimmst wie jene, die wir hier benutzen, sei nicht überrascht; ich habe dir den Grund genannt." (Kritias. 113a-b)

Es scheint angemessen, wenn wir davon ausgehen, dass beim Wiedererzählen und weil so viel Zeit vergangen war, bei der Übersetzung von einer Sprache in die andere und bei dem Versuch, die Information durch das Prisma von geographischen Realitäten, die sich bereits geändert hatten, zu begreifen, eine Reduzierung solcher Begriffe wie "Land, Gebiet, Staat - Insel" stattgefunden haben könnte.

Nachdem ich unberechtigte Annahmen in den Mittelmeer-Hypothesen und den Behauptungen, dass Fehler bei den Zahlen gemacht wurden, kritisiert habe, kann der Leser mir jetzt vorwerfen, bei der Interpretation von Platons Erzählung einen Punkt erheblich überzubewerten. Darum möchte ich mehrere Passagen zitieren, die, wie ich glaube, die Legitimität meiner Annahme begründen, wenn wir uns beim Lesen vom Wort "Insel" trennen (welches ich aus Bequemlichkeit mit Schrägstrichen schreiben werde), und uns stattdessen auf den Zusammenhang konzentrieren, in dem es verwendet wird.

Abb. 3: War Atlantis überhaupt eine Insel, wie es bei Platon heißt? V. Koudriavtsev ist der Meinung, dass im Atlanticus bei Begriffen "Land, Gebiet, Staat - Insel" Interpretations-Bedarf bestehe.

Von großem Interesse ist das, was Kritias nach Abschluss der Beschreibung der Hauptstadt der Atlanter sagt: "Ich habe dir einen hübsch vollständigen Bericht von dem gegeben, was mir über die Stadt und ihre ursprünglichen Bauwerke erzählt wurde; ich muss nun versuchen, die Beschaffenheit und Organisation des Rest des Landes wiederzugeben. Um mit der Region als Ganzes zu beginnen: es wurde gesagt, dass sie hoch über dem Niveau des Meeres lag, wovon sie steil aufstieg; die Stadt wurde umsäumt von einer konstant flachen Ebene, welche dann wiederum von Bergen umgeben war, die direkt hinunter an das Meer reichten. Die Ebene war rechteckig in Gestalt, dreitausend Stadien in der Länge und von der Küste gemessen an ihrem Mittelpunkt zweitausend Stadien in der Breite. Dieser ganze Bereich der /Insel/ lag gen Süden und wurde vom Nordwind bedeckt." (Kritias. 117e-118a)

Wie wir sehen, ist die Beschreibung ziemlich widersprüchlich. Die Sache ist die: im griechischen Text sagt Kritias, nachdem er die Stadt beschrieben habe, wolle er fortfahren mit der Beschreibung der Natur des restlichen Gebiets (tes d allas khoras os e phusis). Tatsächlich kehrt er zu der Beschreibung der Stadt als einen Ort (topos) zurück, der sich hoch über dem Meeresspiegel befindet, von welchem er steil aufsteigt, wonach er ihn der flachen, die Stadt umgebende, Ebene gegenüberstellt. Eine solche Interpretation der Abfolge dieser Passage wird getragen durch die Benutzung zweier Worte in der gleichen Passage - khoras und topos, die sich semantisch auf unterschiedliche Begriffe beziehen müssen. Infolgedessen war es nur die Stadt, die hoch über dem Meeresspiegel lag, aber nicht die Ebene. Und wiederum es gibt keinerlei Anzeichen von einem Gelände, das auf allen Seiten von der See umgeben ist. Die einzig hervorgerufene Vorstellung dieser Beschreibung ist, dass eine Stadt auf einem von der See steil aufsteigenden Hügel von einer flachen Ebene, die auf drei Seiten von Bergen eingeschlossen wird, umgeben ist.

Diese Beschreibung passt auf jedes Detail des Landes, das einst im Westen Europas existierte: die Berge sind das derzeitige Irland, Großbritannien und, vielleicht, der nordwestliche Teil Frankreichs; die Ebene selbst, die sich nunmehr als Schelf im Süden der britischen Inseln (manchmal Keltischer Schelf genannt) fortsetzt, passt zu den von Platon angegebenen Abmessungen, und die Kante der kontinentalen Platte weist nach Süd-Südwest. Auf ungefähr 48° 25-30' N und 8° 45-51' W, unweit dieser Kante, gibt es eine beachtenswerte Unterwasser-Anhöhe, die die Little Sole Bank genannt wird und auf ausreichend genauen Landkarten bezeichnet ist. Die Die Spitze des Hügel ist 57 Meter unterhalb des Meeresspiegel, während die durchschnittliche Tiefe rundum 130 - 160 Meter beträgt. Der Hügel liegt ungefähr in der Mitte der größten Länge auf der fraglichen Ebene [...].

Abb. 4: Atlantis in der Irischen See? Nach Koudriavtsev hat das heutige Celtic Shelf (rot markiert) vor seinem end- bzw. postglazialen Versinken genau den geographischen und topographischen Angaben Platons für Atlantis entsprochen.

Natürlich sollte die Küstenlinie jeder beliebigen Insel einen geschlossenen Kreis bilden und ihre Länge kann ungefähr abgeschätzt werden, genau wie die Breite der Insel. Platons Kritias sagt jedoch, obwohl sehr genau die Einzelheiten der Ausdehnungen der der Stadt angrenzende Ebene und die Länge des umgebenden Kanals angegeben sind, nichts über die Ausdehnungen der Insel an sich, außer, dass sie "größer als Asien und Libyen zusammen" war. Außerdem ist es nicht ganz klar, was wir dem Erscheinen des Stereotyps verdanken, dem zufolge Atlantis "westlich" von Gibraltar, oder "gegenüberliegend" zu verdanken haben.

Thomas Taylors Übersetzung liest sich so: "Denn in jener Zeit war der Atlantik schiffbar und hatte eine /Insel/ vor der Mündung, welche bei euch die Säulen des Herkules heißt." Desmond Lee verwendet in seiner Übersetzung das englische Wort [für] "gegenüberliegend", um die Lage von Atlantis in bezug auf die Enge zu beschreiben, aber wir müssen berücksichtigen, dass er die Logik der Beschreibung verwechselte (Platon erwähnte Atlantis im Zusammenhang mit dem Atlantik, aber Lee beschreibt es vom Zentral-Mittelmeer-Standpunkt aus): "Denn in jenen Tagen war der Atlantik schiffbar. Es gab eine /Insel/ gegenüber der Enge, welche ihr (wie ihr sagt) die Säulen des Herakles nennt..." (Tim. 24e)

Die von Platon in diesem Passus verwendete griechische Präposition pro bedeutet nur, dass die Insel "vor" der Enge lag, d.h. außerhalb des Mittelmeeres, was bedeutet, dass die logische Erweiterung seiner Bedeutung in Richtung "unmittelbar nach", "sofort vor" oder "gegenüberliegend" (die zum herkömmlichen "im Westen von" wurde) - nichts außer dem ahnungsvollen Eifer von Platons Übersetzern war. Nirgends nennt Platon die Atlanter "Insulaner" - die einzige spezielle Aussage, die er macht, ist das Gegenteil zu betonen - dass sie nicht an den Küsten des Mittelmeeres lebten: "Wir müssen uns zunächst erinnern, dass insgesamt neuntausend Jahre seit der Kriegserklärung zwischen denen, welche außerhalb und all jenen, welche innerhalb der Säulen des Herakles lebten, verflossen sind." (Kritias, 108e)

Und so beschreibt er die von Atlantern kontrollierten Gebiete: "Sie und ihre Nachkommen für viele Generationen regierte ihre eigenen Gebiete und viele andere Inseln im Ozean und, wie bereits gesagt wurde, außerdem kontrollierte diese Bevölkerung diese Seite der Engen bis nach Ägypten und Tyrrhenien." (Kritias, 114c)

Man beachte auch, dass er nirgends in Gebiets-Begriffen über die von Atlantern kontrollierten Bezirke spricht, er beschreibt nur die Länge der Küstenlinie. Wahrscheinlich ist dies verbunden mit dem geographischen Aussehen zu jener Zeit, geprägt durch die Tatsache, dass Menschen vorwiegend über See reisten und vielleicht ebenfalls durch die speziellen Besonderheiten von Völkerwanderungen in Verbindung mit der Eiszeit. Lasst uns nun noch einmal zurückkehren zu der bereits zitierten Passage über die Verteilung der Zuteilungen zwischen den Söhnen Poseidons.

Abb. 5: Das heutige Portugal ist vermutlich die Region, die Platon im Kritias als "die gadeirische" bezeichnet. Dort soll Atlas´ jüngerer Zwillings-Bruder Gadeiros (Eumelos) geherrscht haben.

In Desmond Lees Übersetzung: "Sein Zwilling, dem der weiteste Teil der /Insel/ in Richtung der Säulen des Herakles und gegenüber dem Bezirk, der nun Gadira genannt wird, zugeteilt war, wurde im griechischen Eumelus genannt, aber in seiner eigenen Sprache Gadeiros [Gadirus]..." (Kritias. 114b) In Thomas Taylors Übersetzung: "Aber der Zwillingssohn, der unmit-telbar nach Atlas geboren wurde und dem der äußerste Teile der /Insel/ in Richtung der Säulen des Herkules bis zu der Region, die derzeit die gadeirische heißt, zugeteilt war, wurde in seiner Muttersprache Gadeiros genannt, aber wir nennen ihn im griechischen Eumelos." Taylors Übersetzung ist in diesem Fall dem Original näher, da das griechische epi to, wie das lateinische pars ad, beinahe immer "so weit wie", "bis hin zu", "angrenzend an" bedeutet. Der Leser wird wahrscheinlich zustimmen, dass aber für das Wort "Insel" die Beschreibung genau übereinstimmen würde mit dem Gebiet im Süden des modernen Portugal (Abb. 12), welches der Gibraltar nächstliegende Teil der Atlantik-Küste ist. [...]

Die Erzählung von Atlantis in Platons Kritias beginnt mit der Sage von den Ursprüngen (über Evenor und Leukippe, Poseidon und Kleito) und enthält eine Beschreibung, welche die meisten Übersetzer und Interpreten verwirrt. Nicht nur ist sie widersprüchlich in sich, tatsächlich widerspricht sie den meisten der nachfolgenden Beschreibungen von Atlantis, die wir bereits besprochen haben (in punkto der Abmessungen der Ebene und der Größe des Hügels): "Im Zentrum der Insel, in der Nähe der See, war eine Ebene, die die schönste und fruchtbarste aller Ebenen sein soll und in der Nähe der Mitte dieser Ebene, ungefähr fünfzig Stadien [9.65 km] landeinwärts ein kleiner Hügel," (Kritias. 113b) - übersetzt Lee und macht eine Fußnote, die besagt "in der Mitte der Insel" Platon aber meinte "inmitten ihrer größten Länge". Taylor übersetzt die Passage folgendermaßen: "In Richtung der See, aber in der Mitte der Insel, gab es eine Ebene..."

In der lateinischen Übersetzung wird hier das Wort media benutzt, was "Mitte" bedeutet. In Platons Original wird der Ausdruck kata de meson verwendet, welcher "in der Nähe der Mitte", "ungefähr in der Mitte" bedeutet. Das Wort meson - von mesos - meint normalerweise die Mitte eines geradlinigen Segmentes, während für den Begriff "Zentrum" ein anderes Wort existiert. Außerdem muss eine langgestreckte Insel, deren Länge erheblich ihre Breite übersteigt, zwei längere Seiten haben; und wenn dies tatsächlich die Beschreibung einer Insel war, dann sollte ein Hinweis darauf gegeben sein, die Mitte welcher Seite gemeint ist. Deshalb kann, ohne jede Verrenkung, diese Beschreibung nur als die Mitte eines bestimmten Abschnittes der Küstenlinie verstanden werden.

Abb. 6: Nach Platon war die Basileia, der zentrale Teil der Atlantier-Hauptstadt, umgeben von einem Kanal (Wasser-Ring) und auf der Spitze des Hügels gelegen.

Andererseits kann der Mythos jedoch nicht auf den Zeitraum vor der Zeit der mehrtausend-jährigen Katastrophen zurückgehen, als der Meeresspiegel noch nicht auf seinen niedrigsten Stand zurückgegangen war, wobei dieser Ort ein Hügel an der Küste des Meeres wurde, sondern immer noch eine Insel war (siehe wieder Karte des Keltischen Schelf), was erstens alle Widersprüche eliminiert, d.h., es wird klar, warum er "nahe der Mitte dieser Ebene etwa fünfzig Stadien landeinwärts" lag, während die Ebene "dreitausend Stadien in der Länge und an ihrem Mittelpunkt zweitausend Stadien in der Breite von der Küste" maß und "größer als Asien und Libyen zusammen" war und warum der Hügel "von geringer Größe" war, während "von der Region [der Stadt] als ganzes gesagt wurde, sie wäre hoch über dem Niveau des Meeres gelegen, von welchem sie steil anstieg".

Zweitens ermöglicht es, davon auszugehen, dass in bezug auf Atlantis das Wort "Insel" genutzt wird, da der zentrale Teil der Stadt, umgeben von einem Kanal (Wasser-Ring) und auf der Spitze des Hügels gelegen (Abb. 13), notwendigerweis eine Insel war, die in der weiteren Historie "Königs-Insel" oder "Poseidons Insel" genannt wurde. Also wurde vielleicht von allen, die die Erzählung weitergaben, einschließlich Platon, das Wort "Insel" in bezug auf die ganze Stadt und das Land benutzt.


Das Klima

Die Paläo-Klimatologie gibt ein ziemlich klares Bild des Klimas während der Eiszeit, vorwiegend auf paläo-botanischen Daten beruhend. Ohne ins Detail der Verteilung der Klimazonen in den Regionen Europa zu gehen, möchte ich nur vermerken, dass sich die Temperatur mit der Entfernung vom Meer und mit der Höhenlage über dem Meeresspiegel dramatischer als unter heutigen Umstände verminderte, da das Klima im großen und ganzen viel kontinentaler war, und da die zum Bewohnen geeignetsten Klimazonen, d.h. Zonen mit einem mäßigen Seeklima in schmalen Landbereichen, entlang der Meeresküste lagen. (Die klimatischen Bedingungen aller anderen Gebiete waren so rau, dass sie außerhalb einer zivilisatorischen Erschließung lagen, weshalb von Archäologen entdeckte, paläolithische Siedlungen der gleichen Periode in keiner Weise dieser Hypothese widersprechen.)

Das fragliche Klima des Gebietes war aus einigen Gründen äußerst günstig. Erstens lag das ausgedehnte Gebiet in der Nähe des Ozeans nur etwas über dem Meeresspiegel. Zweitens wurde die Ebene vor Nordwinden und dem kalten Einfluss der Skandinavien bedeckenden Eisdecke, genau wie in Platons Erzählung, von den Bergen, welche sie, obgleich nicht hoch, umringten, geschützt. [...]


Fortsetzung:

Atlantis auf dem Celtic Shelf - Eine wissenschaftliche Hypothese zu Platons Atlantis-Bericht (Teil III)


Bildquellen:

(1) http://www.mysteria3000.de/archiv/r/atlantis.htm (nicht mehr online)

(2) I. Donelly, Atlantis, the Antediluvian World

(3) http://www.crystalinks.com/atlantistheories.html

(4) http://www.edc.uri.edu/lme/text/celtic-biscay-shelf.htm (nicht mehr online)

(5) http://www.disasterscharter.org/graphics/dis/portugal/portugal_050803.jpg

(6) http://www.ecolenet.nl/best/french.htm