Quelltext der Seite Kann das Inka-Reich die »Inka-Straßen« angelegt haben?

von unserem Gastautor [[Dr. Horst Friedrich]] 

[[Bild:Qhapaq ñan Grande route inca.jpg|thumb|320x320px|'''Abb. 1''' Eine der faszinierenden "Inka-Straßen" in Peru. Vermutlich waren diese gepflasterten Verkehrswege schon uralt, als das 'Reich der Sonnensöhne' gegründet wurde.]]

[[Gernot L. Geise]] hat mit guten Gründen die Vermutung geäußert, dass die angeblichen »Römerstraßen« überwiegend vorrömischer Herkunft sind <ref>Siehe: [[Gernot L. Geise]]: »Wer waren die Römer?«, Wessobrunn 1994, S. 11, 132.</ref>. Solche aufschreckenden Thesen sind nötig, um uns immer wieder einmal aus dem geistigen Dämmerschlafzustand zu reißen, in den uns die konventionelle, nie hinterfragte Geschichtsschreibung versetzt hat.

Könnte es sein, dass mit den angeblichen »[http://de.wikipedia.org/wiki/Inka#Inka-Stra.C3.9Fen Inka-Straßen]« '''(Abb. 1)''' ein analoger Fall vorliegt? In der Tat ist der Verfasser dieses Beitrags geneigt, die Frage »''Kann das [[Die Inka in der Atlantisforschung|Inka]]-Reich die ,,Inka-Straßen''“ erbaut haben?« mit einem definitiven »''Nein!''« zu beantworten. Welches sind seine Gründe? Zwar war das [[Die Inka in der Atlantisforschung|Inka]]-Reich - »[http://de.wikipedia.org/wiki/Tahuantinsuyo#Tawantinsuyu_.E2.80.93_Reich_aus_vier_Reichen Tahuantinsuyo]« - auf dem Höhepunkt seiner Machtentfaltung und Ausdehnung - kurz vor der vernichtenden Militärexpedition unter Pizarro (1528) - ein Gebilde, das kaum seinesgleichen hatte. Aber es bestand, zur Zeit der spanischen Eroberung, in dieser Ausdehnung ja erst seit 35 Jahren! 

Noch um 1350 war der 5. Inka [http://de.wikipedia.org/wiki/Capac_Yupanqui Capac Yupanqui] lediglich Herr des Gebietes um [http://de.wikipedia.org/wiki/Cuzco Cuzco], etwa so groß wie das mittelalterliche [http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nigreich_B%C3%B6hmen Königreich Böhmen], auf einer Landkarte [[Das prähistorische Südamerika und seine Geheimnisse|Südamerikas]] fast unerkennbar winzig. Die militärische Expansion begann 1438 unter dem 9. Inka [http://de.wikipedia.org/wiki/Pachac%C3%BAtec_Yupanqui Pachacutec]; 1471 war durch den 10. Inka [http://de.wikipedia.org/wiki/Tupac_Yupanqui Tupac Yupanqui] der Norden bis [http://de.wikipedia.org/wiki/Ecuador Ecuador] erobert (Teile dort wurden dem Reich allerdings erst drei Jahre vor [http://de.wikipedia.org/wiki/Pizarro Pizarro] einverleibt); und erst 1493 hatte ebendieser Inka dann auch den riesigen Süden, bis zum mittleren [http://de.wikipedia.org/wiki/Chile Chile] bei 35o südl. Br., erobert <ref> Quelle: Westermanns Großer Atlas zur Weltgeschichte, Braunschweig 1956, Karte S. 100: »Die Entwicklung des Inkareiches«.</ref>.

Nun hatte - nach dem großen Erforscher des [[Die Inka in der Atlantisforschung|Inka]]-Reiches [https://de.wikipedia.org/wiki/Victor_Wolfgang_von_Hagen Victor v. Hagen] <ref>Siehe: [https://de.wikipedia.org/wiki/Victor_Wolfgang_von_Hagen Victor W. von Hagen]: »Das Reich der Inka«, Hamburg/Wien 1958, Kap. »Die Straßen der Inka«, S. 196 - 203.</ref> - der »Camino del Inca« eine Länge von insgesamt 16.000 Kilometern. Die Standardbreite der Küstenstraße betrug acht Meter. Die Breite der - allein schon 5.200 Kilometer langen! - durch die [http://de.wikipedia.org/wiki/Anden Andenregion] führenden »Königsstraße« variierte zwischen drei und sechs Metern.

Dem Verfasser steht zwar keine detaillierte, zuverlässige Landkarte mit eingezeichnetem »Inka«-Straßennetz zur Verfügung. Aber man kann überschlägig folgendermaßen rechnen: Zwischen 1438 und 1471 waren 40% des [[Die Inka in der Atlantisforschung|Inka]]-Reiches erobert worden, zwischen 1471 und 1493 die restlichen 60% (hauptsächlich der Süden). Unterteilt man die 16.000 Kilometer im Verhältnis 40 : 60, so ergeben sich 6.400 Kilometer und 9.600 Kilometer. Wir wollen diese Zahlen noch zugunsten des konventionellen Szenarios modifizieren und annehmen, der nördliche Reichsteil (mit 46 % der Fläche) habe - vielleicht weil zivilisierter oder dichter besiedelt - mehr Infrastruktur benötigt und deswegen 60% des Straßennetzes besessen, d.h. 9.600 Kilometer. Im Norden wären dann 9.000 Kilometer in einem Zeitraum von 1438 bis 1528 (Landung Pizarros) erbaut worden, also innerhalb von 90 Jahren, was rund 106 Kilometer pro Jahr ergibt. Im riesigen südlichen Reichsteil wären 6.400 Kilometer im Zeitraum von 1471 bis 1528, innerhalb von 57 Jahren, erbaut worden, das sind 112 Kilometer pro Jahr, also die gleiche Größenordnung. Ist das glaubhaft?

Die [[Die Inka in der Atlantisforschung|Inka]] hätten also - ohne Bulldozer! - in der superschwierigen Andenregion (Schluchten! Brücken! Dschungel! Pässe! Streckenführung teils in Treppenform!) und entlang der peruanisch-chilenischen Küste durchschnittlich gut 100 Kilometer »Camino del Inca« pro Jahr, das sind zwei Kilometer pro Woche, bauen müssen. Und das bei der Staunen erregenden Qualität der »Inka«-Straßen, vor denen die Spanier fassungslos standen, weil sie genau wussten, dass es in der [http://de.wikipedia.org/wiki/Alte_Welt Alten Welt] nichts Vergleichbares gab! Der Verfasser meint, dass das nicht machbar war.

Weitaus realistischer erscheint ihm die Schlussfolgerung, dass die »Inka«-Straßen überwiegend bereits beim Beginn der Inka-Expansion vorhanden waren und die Inka sie lediglich zum Vorrücken ihrer Invasionstruppen in die zu erobernden Gebiete benutzt haben. Wer mag dieses Staunen erregende Straßennetz dann erbaut haben? Es ist erwiesen, dass die Inka gezielte Geschichtsverfälschung betrieben und Erinnerungen an präinkaische Zivilisationen möglichst tilgen wollten. Wir Heutigen indessen wissen inzwischen, dass das Inka-Reich an der [http://de.wikipedia.org/wiki/Pazifik Pazifik]-Küste und in der Andenregion Vorgänger hatte: etwa [http://de.wikipedia.org/wiki/Chavin Chavîn], die rätselhafte [http://de.wikipedia.org/wiki/Tiahuanaco Tiahuanaco]-Zivilisation, und die maritime [http://de.wikipedia.org/wiki/Chimu Chimu]-Hochkultur mit ihrer phantastischen Hauptstadt [http://de.wikipedia.org/wiki/Chan_Chan Chan-Chan]. Diese altamerikanischen Hochkulturen reichen ebenso weit in die Zeit zurück wie die altweltlichen, und es lässt sich durchaus die Meinung begründen, dass sie in ihren Werken den altweltlichen überlegen waren (mit Ausnahme vielleicht der [http://de.wikipedia.org/wiki/Chinesische_Mauer chinesischen Mauer]). Diese präinkaischen Zivilisationen dürften also sukzessive die wahren Erbauer des »Camino del Inca« gewesen sein.


'''Redaktionelles Addendum - September 2018'''

Vergleiche zu diesem Beitrag auch den kurzen Artikel "[http://www.science-frontiers.com/sf041/sf041p02.htm The Inka Road System]" in [[William R. Corliss]]'''’''' ''[http://www.science-frontiers.com/index.htm Science Frontiers]'' (No. 41: September - Oktober 1985). Inzwischen scheint auch im Bereich der 'Mainstream-Wissenschaft' unumstritten zu sein, dass nur ein Teil der 'Inka-Straßen' von den [[Die Inka in der Atlantisforschung|Inka]] selber gebaut bzw. ausgebaut wurde. So heißt es z.B. bei der deutschsprachigen [[Ceterum censeo Wikipediam esse modificandam|Wikipedia]]: "''Das Inka-Straßensystem wurde von den [[Die Inka in der Atlantisforschung|Inka]] basierend auf den Arbeiten vorinkaischer Kulturen, hauptsächlich der [https://de.wikipedia.org/wiki/Wari-Kultur Huari-] und [https://de.wikipedia.org/wiki/Chim%C3%BA-Kultur Chimú]-Kultur angelegt.''" <ref>Quelle: [https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite Wikipedia - Die freie Enzyklopädie], unter: "[https://de.wikipedia.org/wiki/Inka-Stra%C3%9Fensystem Inka-Straßensystem]" (abgerufen: 02. September 2018)</ref> Dies scheint zumindest einen Teil der Wahrheit wiederzugeben.


===Anmerkungen und Quellen=== 

Dieser Beitrag von [[Dr. Horst Friedrich]] © wurde online erstmals veröffentlicht in EFODON-SYNESIS Nr. 14/1996; bei ''Atlantisforschung.de'' erscheint er in einer redaktionell bearbeiteten, illustrierten Fassung.

'''Fußnoten:'''
<references />

'''Bild-Quelle:''' 

* '''Laurent granier''' bei [https://commons.wikimedia.org/wiki/Main_Page Wikimedia Commons], unter: [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Qhapaq_%C3%B1an_Grande_route_inca.jpg File:Qhapaq ñan Grande route inca.jpg]